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Sonnenschein oder wie mir das Leben den Tag versaute

Sonnenschein oder wie mir das Leben den Tag versaute

Titel: Sonnenschein oder wie mir das Leben den Tag versaute Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jochen Till
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mir stehen. Ein Junkie. Danke, lieber Gott.
    »Haste ma l …«
    Aha, alles klar. Ich suchte in meiner Hosentasche nach Kleingeld.
    » … ’ne Valium?«
    Das war allerdings neu. Danach hatte mich noch keiner gefragt.
    »Nein, sorry«, sagte ich.
    Sah ich etwa aus wie ein Apotheker?
    »Oder warte, halt!«, rief ich ihm hinterher.
    Ich kramte in meiner Jackentasche und fand auch, was ich dort vermutet hatte. Auf meine Großmutter war doch immer Verlass. Sie konnte es nicht lassen, mir immer ein paar Vitamin-C-Tabletten in die Tasche zu stecken. Ich gab dem Jungen eine.
    »Hier«, sagte ich, »aber pass auf! Verdammt starkes Zeug. Das bringt dich schneller runter, als du zappeln kannst.«
    »Geil, Mann. Danke, Alter!«
    »Keine Ursache. Sag mal, weißt du, wo ich jetzt noch ’ne Flasche Wodka herkriege?«
    »Klar, Mann. Am Bahnhof. Da is so ’n Teil, das hat die ganze Nacht auf.«
    »Alles klar. Danke.«
    »Brauchste Stoff? Ich kann alles besorgen. Ecstasy, Speed, Koks, was du willst. Mach dir ’n Spezialpreis.«
    »Danke, nein. Lass mal stecken! Ich saufe lieber.«
    »Scheiße. Na ja, mach’s gut. Ich muss weiter.«
    Er zappelte davon und ich sah ihm noch eine Weile nach. Wie kam es nur, dass so ein Kerl alles Mögliche besorgen konnte, aber auf der Straße um Valium bettelte? Wenigstens wusste ich jetzt, wo ich etwas zu trinken bekommen würde. Ich lief los in Richtung Hauptbahnhof.
    Den Laden zu finden war keine Schwierigkeit. Folge den Durstigen und sie führen dich zur Tränke. Ich kaufte mir eine Flasche Moskovskaja und eine Schachtel Zigaretten und bezahlte 4 0 Mark dafür. Waren die Zigaretten über Nacht plötzlich teurer geworden? Egal. Ich exte ein Viertel der Flasche und musste fast kotzen, aber ich riss mich zusammen. Der Wodka war nicht nur scheißteuer, sondern auch noch pisswarm. Wodka trank ich doch lieber kalt, egal was die Russen sagten.
    Ich fuhr mit der Rolltreppe in die untere Ebene des Bahnhofs und suchte mir eine dunkle Ecke, um mich hinzusetzen. Rauchend und an meiner Flasche nippend, dachte ich über diesen ganzen beschissenen Tag nach. Ich suchte einen Schuldigen für all den Mist, der passiert war. Wem hatte ich das alles zu verdanken? Wenn ich an Gott geglaubt hätte, wäre es einfach gewesen, dann wäre er ganz einfach schuld an allem gewesen, aber s o … Meine Eltern waren schuld, genau! Sie hatten mich schließlich in diese Scheißwelt gesetzt, ohne mich zu fragen. Nein, das funktionierte nicht. Sie konnten ja damals noch nicht ahnen, dass es so einen Tag für mich geben würde. Amsel war schuld, klar. Wenn er mich korrekterweise hätte durchfallen lassen, wäre ich erst gar nicht auf diese blöde Party gegangen. Nein, das stimmte auch nicht. Ich bin wegen Kelly auf die Party gegangen. Also war Kelly schuld. Wenn sie mich nicht vor Hoffmann gerettet hätte, wäre ich gar nicht erst auf die Idee gekommen, ihr ein Geschenk zu kaufen. Genau, das war es. Es war alles Hoffmanns Schuld! Dieser Schlappschwanz! Diese verdammte Lusche! Ließ sich von einem Mädchen fertigmachen, dieser Idiot! Wenn er stärker gewesen wäre und mich richtig zusammengeschlagen hätte, läge ich jetzt nicht am Hauptbahnhof, sondern in einem Krankenhaus, und dieser ganze verdammte Tag wäre bis auf einige Schrammen spurlos an mir vorbeigegangen. Käthchen würde vielleicht noch leben und Kelly wäre immer noch meine Kelly, süße Kelly. Ich würde jetzt in einem warmen Bett liegen und schlafen und morgen würde Kelly kommen und mich besuchen. Wenn ich doch bloß im Krankenhaus liegen würde, dann wäre alles gut. Hoffmann, du jämmerlicher Versager! Kannst du nichts richtig machen? Komm gefälligst her und beende deine Arbeit! Ich will jetzt gefälligst ins Krankenhaus! Scheiße, kein Hoffmann weit und breit. Vielleicht lag er immer noch flach auf dem Boden. Vielleicht war er gerade jetzt im Krankenhaus, in dem Bett, das eigentlich für mich bestimmt war. Dieser verdammte Mistkerl! Warte nur, ich werde es schon noch schaffen, ins Krankenhaus zu kommen! Und dann legen sie mich zu dir ins Zimmer und ich sorge dafür, dass die Ärzte auch wirklich etwas zu tun bekommen.
    Ich versuchte aufzustehen, schaffte es aber erst im dritten Anlauf. Der Wodka gab mir den Rest, endlich. Ich torkelte durch die untere Ebene des Hauptbahnhofs auf der Suche nach einer gnädigen Seele, die mich barmherzig in ein Krankenhaus prügeln würde. Wo waren bloß all die kriminellen und asozialen Elemente dieser lausigen Stadt, wenn man

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