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Sonnenscheinpferd

Sonnenscheinpferd

Titel: Sonnenscheinpferd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steinunn Sigurðardóttir
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gehört hat.
    Magda ließ mich abends die Zähne putzen, deckte mich zu, las mir vor und betete in beiden Sprachen, und hinzu kam eine Strophe mit guten Ratschlägen von Hallgrímur Pétursson, die sie besonders schätzte.
    Es ist zum Wohl für jedes Kind,
    zu streben nach Gottes Segen,
    die Obhut es im Herren find’t
    auf allen seinen Wegen.
    Morgens kämmte sie mich und flocht mir die Haare. Sonntags, Weihnachten, Ostern und an Geburtstagen kamen Schleifen hinein. Sie sorgte dafür, dass meine Sachen sauber und gebügelt waren. Dank ihr lernte ich, meine Spielsachen aufzuräumen, Puppe Lóló abends vom Boden aufzuheben, und wenn ich aufgehört hatte zu puzzeln, die Stückchen einzusammeln und in die Schachtel zu legen.
    Magda nahm mich manchmal in den Arm, und Mummi auch. Sonst gab es nämlich keinerlei Umarmungen in derSjafnargata, es sei denn, dass Harald und Ragnhild möglicherweise darauf zurückgriffen, wenn sie unter sich waren.
    Es war Magda, die auf Wehwehchen pustete, wenn ich hingefallen war, auch wenn Das Ehepaar zu Hause war, und sie klebte die Pflaster auf. Sie sah mir in die Augen, wenn sie mit mir sprach, und sie lächelte mich an. Falsch daran war nur, dass es nicht Ragnhild selbst war, die mich bemutterte. In mir schlummerte deswegen Unzufriedenheit und etwas, was Trauer ähnelte.

    Magda weinte, als sie sich in der Haustür in der Sjafnargata von Mummi und mir verabschiedete, aber wir drehten uns auf dem Absatz um und gingen ins Haus, geradeso, als handelte es sich nur um einen Schnupfen. Wir warteten nicht einmal, bis sie in den Cadillac eingestiegen war, um ihr zum Abschied zuzuwinken.
    Es war Ende Juli, und mein siebter Geburtstag lag gerade hinter mir. Magda nannte mich das Sommerkind auf Deutsch, aber ich wusste, was das bedeutete. Mummi machte daraus das Sommerschaf, und das kann ihm an einem guten Tag auch heute noch manchmal einfallen.
    Vor dem fünften und sechsten Geburtstag war Magda mit mir zur Schneiderin gegangen, doch diesmal hatte sie mein Kleid selber genäht. Es war aus blauem Samt mit weißen Spitzeneinsätzen an der Brust. Am Tag vor dem Geburtstag ging sie mit mir ins Vogue-Geschäft, und ich durfte mir Schleifen für die Zöpfe auswählen. Ich deutete auf die himmelblauen, und Magda lobte mich dafür, die schönste Farbe zum neuen Kleid ausgesucht zu haben. An diesem Tag hatte ich das Gefühl, ein erwachsenes Mädchen zu sein, weil ich mich so gut darauf verstand, Schleifen auszuwählen.
    Alle möglichen Anziehsachen und Dinge von Magda waren uns in der ersten Zeit nachdem sie fort war, Halt undStütze. Ich besaß das Geburtstagskleid und die rote Strickjacke mit den silbernen Knöpfen, Mummi eine grüne Bommelmütze und einen regenbogengestreiften Schal, von ihr gestrickt. Und dann waren da noch die Bücher, die sie uns zugesteckt hatte. Pünktchen und Anton beispielsweise.
    Aber diese Überbleibsel verschlissen schnell oder gingen verloren. Was in der Sjafnargata nicht gänzlich abhandenkam, wurde sofort löchrig: Strickjacken Kopfkissenbezüge Handschuhe. Falls es sich um ein Buch handelte, lösten sich die Einbanddeckel ab. Pünktchen und Anton gab es zwar immer noch, aber in drei selbständigen Teilen, Anfang, Mitte und Ende, die es von da an keine Stunde mehr im gleichen Zimmer aushielten, geschweige denn länger.
    Obwohl ich mir die größte Mühe gab, vagabundierten alle Gegenstände, heil oder lädiert, durch sämtliche Zimmer. Sie wurden von Harald und Ragnhild (mit Mummis Unterstützung) verschlampt, die große wie kleine Sachen abschleppten und sie nach einem unsichtbaren System auf die Zimmer verteilten, dem ich auf die Spur zu kommen versuchte, als ich einen Liebsten bekam. Ich verfolgte Objekte wie Telefonbuch und Brillen kreuz und quer durchs Haus und von einem Stockwerk ins andere, konnte aber keine Systematik dahinter entdecken, und ebenso wenig gelang es mir, die Gründe für diese Verlagerungen herauszufinden. Sie waren unberechenbar.

    Zur Magdazeit war der Garten ein Zauberland. Da konnte man beispielsweise Fliegen fangen und sie in Königssöhne verwandeln, Hexen, Dornröschen. Zwischendurch lag man auf dem Rücken und schlürfte Sonne oder las ein Bild aus einer komischen Wolke heraus.
    Das Leben im Garten war aber nicht nur Spiel, denn man musste auf die unverständige Lóló aufpassen und sie ausschimpfen,wenn sie etwas ausgefressen hatte. Aber Lóló!, oder sogar Lóló Haraldsdóttir!, mit erhobenem Finger.
    Magdamama kam manchmal hinaus zu mir.

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