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Sonnenscheinpferd

Sonnenscheinpferd

Titel: Sonnenscheinpferd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steinunn Sigurðardóttir
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Heinzelmännchen um mich geschart, das mir die Scherereien des täglichen Lebens erleichterte und mich für die Arbeitentschädigte, die ich mir zeit meines Lebens in all den Zimmern gemacht hatte, ganz abgesehen von Mummi und der Wäsche.
    Diese veränderten Umstände im Skipasund bewirkten, dass ich nachlässig und anspruchsvoll wurde. Menschen wie ich sind offensichtlich nicht robust genug, um gute Tage zu verkraften, sie entwickeln ein Gespür dafür, sich vor Aufgaben zu drücken. Ich stand beispielsweise nicht vom Esstisch auf, wenn ich einmal dort Platz genommen hatte. Als meine Töchter selbständiger wurden, ließ ich es mir angelegen sein, sie so wenig wie möglich zu verwöhnen. Es stellte sich heraus, dass ihnen das guttat, obwohl es nicht so gedacht war.
    Skipasund war weit weg von den Erinnerungen, und das war das Beste daran. Erinnerungen an diesen östlichen Teil der Stadt hatte ich keine – schon gar nicht von Spaziergängen mit dir, denn die hatten immer durch Innen- und Weststadtgefilde geführt. Dieser ganze Stadtteil am Sund mit der Insel Viðey und dem Hausberg Esja und der psychiatrischen Klinik war wie die Schattenseite des Mondes. Es war angenehm für mich, eine unbekannte Frau auf unbekannten Straßen zu sein, geschützt vor dem schlimmsten Nordwind. Und die Insel Viðey direkt vor der Küste, mit einem alten Prachthaus, das durch viele verwahrloste Fenster zum Land hinübersah. Ich träumte mich häufig nach Viðey hinüber. Zu der Zeit gab es keine Bootsverbindung zur Insel, aber im Traum kommt man problemlos an sein Ziel.
    Das Stadtzentrum vermied ich am liebsten. Wenn ich dort etwas zu erledigen hatte, wurde mir seltsam zumute wegen neuerlicher Nähe zu den glücklichen Stunden mit dem Liebsten, draußen auf der Straße, als es einmal war. Dort war ich immer noch jung, und ich fand es traurig, dass es mir nicht mehr zuteil werden würde, den Liebsten auf den alten Spazierwegen zu sehen, denn du warst endgültig fort (dochnoch nicht mit Signora Lúkasson verheiratet), und ich wusste aus sicherer Quelle, dass du nicht einmal im Sommer nach Island kamst. Die Eltern tot, das Haus an der Schulstraße verkauft. Das Sommerhaus in Fljótshlíð gehörte dir aber immer noch, und ich fand es gut, das zu wissen.

    Als Unnur und Ása klein waren, machte es mich glücklich zu sehen, dass ihnen aus allen Ecken und Winkeln Liebe entgegengebracht wurde. Was ihr Vater und ich zu wünschen übrigließen, bekamen sie von ihrer Großmutter väterlicherseits, oder sogar von Harald, und dann war da auch noch Mummi.
    Zu sehen, wie mein Bruder mit Unnur und Ása umging. Wie er sich in einen väterlichen Hampelmann verwandelte, wie sehr sie ihn mochten, war mein größter Bruchteil vom Glück. Meine Töchter verhielten sich anderen gegenüber eher wohl erzogen, aber beim Spielen mit Mummi gerieten sie außer Rand und Band. Sie fanden es selbstverständlich, ihn zu knuffen und zu knuddeln wie eine große Puppe, so rabiat, dass er blaue Flecken und Kratzer abbekam.
    Nie sah ich meinen Bruder so von Herzen fröhlich wie in Skipasund mit Unnur und Ása. Mein Glück, diese gute Tat tun zu können – Kinder für meinen Bruder in die Welt zu setzen, der selber keine bekommen würde. Unnur war ihm sogar ähnlich, mit braunen Augen und sanften Zügen, und er war so stolz, als hätte er direkten Anteil an ihr.
    Um die Zeit, als ich aus der Sjafnargata auszog, war Mummi sich darüber klar geworden, dass er sich für Jungs interessierte. Zu seinem eigenen Entsetzen und nicht weniger dem der Mädchen hatte er es zunächst pflichtschuldigst mit einigen braven Mädchen versucht. Als sich die Linien bei Mummi endlich abzeichneten, dachte ich, dass Ragnhild entgegen ihrer Gewohnheit eine Reaktion zeigen würde, aber ich hatte sie natürlich falsch eingeschätzt.

    In der Regel ist es ein schwerer Schlag für Mütter, wenn ein Sohn «vor die Schwulen geht», wie Mummi es ausdrückte, und erst recht, wenn es sich um den einzigen Sohn handelt. Mütter setzen alles daran, das zu verdrängen, und wiegen sich sogar in irgendwelchen Hoffnungen, diese sodomitische Anwandlung werde vorübergehen. Der Sohn müsste doch irgendeine Frau finden können wie andere Männer auch, und seine Mutter zur Großmutter machen. Genau wie andere Mütter nehmen sie anscheinend die Enkelkinder, die den Rippen ihrer Töchter entspringen, nicht für voll, denn der sehnlichste Wunsch richtet sich auf einen Sohnessohn. Ersatzweise eine

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