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Sonnenscheinpferd

Sonnenscheinpferd

Titel: Sonnenscheinpferd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steinunn Sigurðardóttir
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zusammen auswählen, vielleicht machen wir das im Internet. Oder wir unternehmen eine Reise in das Land, in dem du lange zu Hause warst, und probieren das Sofa aus. Dann wird es mir zuteil, die italienische Ausgabe von dir in italienischer Landschaft zu sehen und zu hören, und du sagst mit deiner beherrschten Stimme:
Hör mal, Lí! Sieh mal, Lí!

Ich stolperte nicht über die Schwelle im Mokka. Ich ging direkt auf dich zu. Du trankst einen Mittelstarken mit Milch, genau wie beim letzten Mal, aber nicht am gleichen Tisch.
    Grüß dich und willkommen daheim, sagte ich, darf ich mich zu dir setzen.
    Bitte sehr.
    Und du lächeltest wie früher mit den Augen, und auch mit dem Mund – was aber immer viel seltener gewesen war. Jetzt gab es da Fältchen um den Mund herum, die auf mehr Fröhlichkeit als in unserer alten Zeit hindeuteten. Der eine Schneidezahn oben war ein wenig schief geworden und unterstrich verschmitzt den unerwartet frohen Zug an dir in einer neuen Zeit.
    Erst hole ich mir einen Kaffee.
    Lass mich.
    Das war etwas, was du oft sagtest:
Lass mich
.
    Ich setzte mich und beobachtete dich am Tresen, schlaksig attraktiv, am Beginn der neuen Zeit, sah dir zu, wie du den Kaffee für mich bezahltest und mir mit den sicheren Händen brachtest, die ich von früher im Gedächtnis hatte und sofort als verändert wahrnahm: die langen Finger, vor allem der kleine und der Zeigefinger, waren jetzt ein wenig gekrümmt, und die Hände waren sonnenbraun; und all die vergangene Zeit hatte sich in diesen warmen Händen niedergelassen. Jetzt schloss ich sie ins Herz.

    Im Anschluss ans Mokka gingen wir wie immer spazieren. Ich war darauf eingestellt, trug den blaugrauen langen Mantel, genau die gleiche Farbe wie der Anorak, den du mir im Scout-Geschäft ausgesucht hast. Das einzig Farbige, was ich mir je gekauft habe, abgesehen von dem türkisblauen Badeanzug.
    Wir gingen in den Garten des Einar-Jónsson-Museums und setzten uns auf eine Bank inmitten der Skulpturen. Die Worte wichen von uns. Die Skulpturen hätten aber viel zu sagen gehabt, wenn sie hätten reden wollen, denn sie bewahrten die Geschichte von uns beiden auf, jedes Wort und viele Küsse in diesem Garten.
    Als wir da in dieser trauten Umgebung saßen, warst du so lieb, deine neue sonnenbraune Hand über meine farblose Hand zu legen. Bruchstücke aus meinem Leben preschten aus allen Richtungen heran und trachteten danach, ein Ganzes zu bilden, vielleicht eine zusätzliche Skulptur im Garten. Das verwirrte mich, und ich legte meinen Kopf auf deine Schulter, wie ich es sehr oft in diesem Garten getan habe.

Es war nicht leicht, aufzustehen, als es an der Zeit war. Ich musste mich auf dich stützen. Dann aber trugen mich die Füße genau wie immer durch den Park am Teich zur Ægisíða am Meer, über dieselben Straßen mit denselben Namen, dieselben Pfade. Der Himmel über dem Maiabend war seltsam grau und das Meer ebenfalls, die Luft aus dampfendem Dunst und das Meer aus Metall. Das war zwar grandios, aber nicht warm. Irgendein Tod fiel mir ein, aber das behielt ich für mich, zumal die Vögel lauthals gegen alles Derartige protestierten, unternehmungslustig, wie sie waren, und eigenartig wohlwollend am Himmel, der die Grenzen von Meer und Himmel verschwimmen ließ.
    Du führtest mich am Meer entlang und zitiertest dabei das Kapitel aus dem Fischkonzert. Uns kamen die Tränen, nicht nur, weil es so schön ist, sondern auch, weil wir keinen Jungen hatten wie den, den Björn in Brekkukot bei sich haben durfte. Sie ruderten zusammen zum Fischen aus, der Junge und der Alte, und genau von dieser Stelle legten sie ab unter blankgeputzten Sternen. Gingen anschließend wieder auf denselben Pfaden zum Ort wie wir.
    Unterwegs stellte sich heraus, dass du vorhattest, am nächsten Morgen früh zu deinem Sommerhaus in Fljótshlíð zu fahren, am Freitagmorgen. Bei der Melar-Schule fragtest du mich, ob ich nicht mitkommen wolle.
    Ich sah, wie sich das Tor öffnete, und dahinter war das Leben, das noch blieb – ein ganzes Feld voller Sonnenblumen, Storchschnabel, Iris und Wiesenschaumkraut – eine zu unrealistische Mischung, um sentimental zu werden –, eineTräne tropfte, und ich sagte, ich würde zu deinem Sommerhaus kommen, ich hätte aber morgen Abend die Schicht.
    Ich bleibe über das Wochenende, sagtest du. Kommst du dann am Samstag?
    Ich komme morgens, nicht morgen, sondern übermorgen. Samstagmorgen.
    Dein seltenes Lächeln blitzte auf, wenn du auch mit dem Mund

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