Sonnenscheinpferd
protestierten dagegen. Sie ließ unten streichen, und selbstverständlich drang der Geruch nach oben.
Als Harald zum dritten Mal ins Krankenhaus musste, holte Ragnhild den Maler für die obere Etage ins Haus. Das tat sie hinter unserem Rücken, und sie ließ sich von irgendwelchen anderen Leuten beim Möbelverrücken helfen. Das eheliche Schlafzimmer und das Wohnzimmer waren bereits fertig gestrichen, als Mummi und ich davon erfuhren.
Dieses eine Mal kritisierten Mummi und ich sie. Wir bereiteten die Offensive mit einem Einkauf in der Bernhöft-Bäckerei vor, und dann erfolgte zu warmem Blätterteiggebäck die konzertierte Aktion am Küchentisch: wie sie sich das vorstellte, wenn Harald in seinem Zustand aus dem Krankenhaus zurückkäme, in diesen Farbgestank und dieses Chaos hinein, das noch größer war als gewöhnlich.
Ragnhild schwieg undurchsichtig. Mummi und ich redeten uns den Mund fusselig, selbst ich war ungewöhnlich gesprächig und wiederholte ständig «wenn er nach Hause kommt». Da blickte sie einmal blitzschnell auf und sah mir direkt in die Augen, was so selten und so unangenehm war, dass ich zusammenzuckte, und sie sagte:
Und wann, glaubst du, kommt er nach Hause?
Ja, Ragnhild prüft auf Herzen und Nieren wie Gott, und im Übrigen hat sie ja auch die Ausbildung dazu. Mummi und ich hätten wissen müssen, dass sie in der Prognose nicht weniger perfekt war als in der Diagnose. Harald kehrte nichtmehr in die Sjafnargata zurück. Genau drei Wochen nach dem Gespräch mit Gebäck in der Küche war er tot.
Auf dem Küchenhocker am ersten Morgen des zweiten Lebens in der Sjafnargata beschloss ich, das Magdazimmer zu streichen, einen neuen Fußboden zu verlegen und es zu meinem Schlafzimmer zu machen. Naheliegender wäre wohl gewesen, das Mummizimmer mit Fenstern nach Süden und Osten in Beschlag zu nehmen, denn das Magdazimmer war wesentlich kleiner und hatte nur ein Fenster nach Süden.
Mir schwante bei Anbruch dieses Tages nicht, dass dies der Beginn zu all den Zimmerjahren in der Sjafnargata sein sollte, Reparaturen – Riss für Riss, Hahn für Hahn, Schalter für Schalter. Noch weniger ahnte ich, dass so etwas Spaß machen könnte. Risse ausbessern, Fußbodenbelag entfernen – Zimmer demontieren und sie bis in winzigste unsichtbare Details hinein renovieren (mit schaftlangem Pinsel bis ganz unten hinter dem Heizkörper streichen, wo höchstens Spinnen und Gott hinsehen).
Und Ragnhild, die Unberechenbare, zog ganz neue Saiten auf, indem sie sich an all diesen Zimmerjahren beteiligte, vor allem aber am Küchenjahr, und in großen wie in kleinen Fragen immer mit guten Vorschlägen aufwartete. Sie war sich sehr wohl im Klaren darüber, was in ihrem Haus steckte, selbst in den Zimmern ganz unten, die sie erstaunlicherweise nicht nur vom Hörensagen kannte.
Ich hatte auch das Glück, dass mich bei diesem Projekt die besten und amüsantesten Helfer und Helfershelfer umschwirrten – Mummi und seine Freunde. Jahraus, jahrein immer bereit zu komplizierten Spachtel- und Anstreicharbeiten (nicht dass es mir nicht auch ohne sie Spaß gemacht hätte). Mummi kannte so eine vergnügte Miene an mir kaum, erführte sie auf meine Spachtelperversion zurück, wie er sich ausdrückte.
Die Verbündeten der Zimmerjahre, Mummis Freunde und Liebhaber, bereicherten Ragnhilds und mein Leben und ersetzten uns das ein oder andere Defizit – in uns selbst, zwischen uns und allem zwischen Himmel und Erde. Sie mochten mich, wie Eltern ihre Kinder mögen können. Jemandes Tochter zu sein war lang ersehnt und hoch willkommen, ich wurde abends halbwegs rührselig ob dieses Glücks.
Sie sind auch so etwas wie ein Ersatz für die Freundinnen, die ich nie hatte, und genauso selbstlos, wie Freundinnen es gewesen wären; sie begleiten mich in die Geschäfte auf dem Laugavegur und suchen genau wie eine richtige Freundin schöne Sachen für mich aus. Es gibt zwar ständig Geplänkel, weil sie so auf Farben stehen, aber meine Garderobe hat sich sehr zum Vorteil entwickelt.
Überschattet wurde mein Glück nur durch den stechenden Schmerz, den ich empfand, als mir klar wurde, dass sie Ragnhild vergötterten. Ich brauchte lange, um zu begreifen, was mich da plagte. Es war ein Gefühl, das in einem Sjafnargata-Kind nie hochkam: Eifersucht. Auf was sollte ein solches Kind eifersüchtig sein?
Ich nannte Ragnhild das Schwulentotem (im Stillen), wenn sich die Freunde im wahrsten Sinne des Wortes zu ihren Füßen niederließen, ihr die
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