Sonnenstürme
sah, wie ihr Vater den Geschmack mit einer Grimasse kommentierte, und sie stieß ihn mit dem Ellenbogen an. »Alles ist besser als Pilzeintopf, oder?«
»Da hast du vollkommen Recht.« Jan erweiterte das Vorzelt und stützte die Plane mit Pfählen ab, sodass sie im Schatten sitzen konnten. Als die Abenddämmerung dem Himmel wundervolle Farben gab und die Temperatur sank, ging Orli ins Zelt, kramte in ihrer Habe und holte die Synthesizer-Streifen hervor. Sie spielte leise Musik, improvisierte dabei. Es schenkte ihr Ruhe, und ihr Vater versuchte zu summen, obwohl er diese Melodien jetzt zum ersten Mal hörte.
Jan wirkte gelangweilt, aber er lächelte. »Oh, ich hasse dieses Warten. Vielleicht kann ich morgen irgendwo im Hauptkomplex helfen.« Er drehte den Kopf und richtete einen nachdenklichen Blick auf seine Tochter. »Warum schließt du nicht Freundschaft mit den anderen Kindern? Ich habe etwa ein Dutzend in deinem Alter gesehen.«
Orli hatte selbst daran gedacht, sich aber dagegen entschieden. »Ich warte, bis wir auf unserer Kolonie sind, Vater. Dann kann ich langfristig Freundschaft schließen.«
»Freunde sind Freunde, Mädchen. Einer für einen Tag ist besser als gar keiner.«
Orli hatte nie viele Spielkameraden gehabt, weil sie ständig auf ihren Vater aufpassen musste, damit er nichts Unbesonnenes anstellte. Sie erzählte gern Geschichten und erfand Spiele, doch die Arbeit in den Pilzfeldern auf Dremen hatte den größten Teil ihrer Zeit beansprucht. Vielleicht fand sie in ihrer neuen Heimat jemanden, der ihr Interesse an Musik teilte. »Ich versuche es, wenn wir unser Ziel erreicht haben. Das verspreche ich, Vater.«
Während der nächsten Tage leistete Jan freiwillige Arbeit im Verteilungszentrum. Den Abend verbrachte er meistens damit, zwischen den Zelten zu wandern, Gespräche zu beginnen, Dremen zu beschreiben und die anderen Kolonisten zu bitten, von den Welten zu erzählen, die sie verlassen hatten. Orli nutzte die Gelegenheit, mit ihren Synthesizer-Streifen zu üben.
Am fünften Abend hallte erneut das akustische Signal durchs Lager, wie mehrmals am Tag. Die Kolonisten sahen aus den Zelten, hörten auf zu kochen und unterbrachen Gespräche. »Diesmal sind wir dran, Orli«, sagte Jan. »Ich bin ganz sicher.« Das hatte er vor den Durchsagen während der vergangenen drei Tage immer behauptet.
»Kolonisten der Gruppe 3, bitte versammeln Sie sich an der Bereitschaftsrampe. Treffen Sie Vorbereitungen dafür, in zwei Stunden das Transportal zu passieren.«
Der Hinweis wurde mehrere Male wiederholt, obwohl die Kolonisten schon beim ersten Mal jedes Wort in sich aufgesaugt hatten. Orlis Vater gab ihr einen Klaps auf die Schulter. »Na bitte, Mädchen. Man muss nur oft genug raten, um schließlich richtig zu tippen.«
Die Kolonisten in der Nähe hasteten plötzlich umher, als wäre eine Notfallevakuierung angekündigt worden. Zwei Stunden boten mehr als genug Zeit, um die wenigen Sachen zusammenzupacken, die Orli und ihr Vater von Dremen mitgenommen hatten. Orli wickelte die Synthesizer-Streifen vorsichtig in die Kleidung, die sie anschließend in den Rucksack legte. Ihr Vater sammelte seine eigenen Dinge ein: Kleidungsstücke, Speichermodule mit Dateien, Unterlagen mit Ideen für sinnlose Erfindungen und einige wenige Werkzeuge.
Sie alle ließen die Zelte für die nächste Kolonistenwelle zurück. Nach dem Aufbruch ihrer Gruppe würden Kompis die Quartiere reinigen und neu einrichten, damit nur einen Tag später andere Menschen in ihnen wohnen konnten. Auf den jeweiligen Zielplaneten gab es bereits aus Fertigteilen errichtete Gebäude.
Orli und ihr Vater gesellten sich den Kolonisten hinzu, die zu den Rampen an der Klippenwand strebten. Es gab keinen Grund zur Eile. Sie hatten noch anderthalb Stunden Zeit, aber Jan wollte zu den Ersten gehören, die das Transportal durchschritten, als ob einige Minuten einen Unterschied machen und ihm die Möglichkeit geben würden, das beste Haus zu beanspruchen. Vielleicht hatte er Recht.
Einige weitere blasse Siedler von Dremen traten zu denen, die von anderen unwirtlichen Hanse-Kolonien stammten. Sie standen vor der hohen Felswand und sprachen miteinander, bis man ihnen schließlich gestattete, das Labyrinth der alten Klikiss-Stadt zu betreten. Dort wirkten die steinernen Wände verwittert und abgenutzt. Viele der fremden Hieroglyphen und Artefakte waren durch die Menge der Menschen beschädigt worden, die diesen Ort passiert hatte.
Orli wollte stehen
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