Sonnenstürme
Wental-Wasser übermittelt worden, aber nur Nikko hatte Bilder und Kom-Aufzeichnungen. Er hoffte, dass er sich diesmal nicht verirrte. Dafür war seine Verantwortung zu groß.
88 JESS TAMBLYN
Die Wental-Stimmen in seinem Kopf waren jetzt Teil von ihm, auch wenn er ihre Wünsche und Absichten häufig nicht verstand. Jess flog durch die Weiten des Weltraums, allein und gleichzeitig in Gesellschaft, mit den Wasserentitäten verbunden, im Innern eines Perlmutt-und-Korallen-Schiffes, in dem flüssige Kraft pulsierte.
Er war stolz auf die Wasserträger, die im Spiralarm nach Meereswelten suchten, auf denen sich die Wentals ausbreiten konnten. Jede neue Saat war für die Wasserentitäten wie eine weitere Zelle in einem großen, mächtigen Körper. Mit jedem verstreichenden Tag wuchs die Wental-Präsenz – und bisher wussten die Hydroger nichts von der Rückkehr ihrer alten Feinde.
Das amniotische Meerwasser im Schiff hätte eigentlich die visuelle Wahrnehmung des Alls erschweren und ihm nur verschwommene Bilder von den fernen Sternen zeigen müssen, aber die Flüssigkeit war auch Teil von ihm. Er sah mit absoluter Klarheit und erweiterte seine Sinne durch die Wentals.
Er setzte die Suche nach Planeten fort, selbst nach solchen, die kein menschliches Leben tragen konnten. Nur Wasser war nötig.
Wental-Bilder schwebten an seinem inneren Auge vorbei, wie Echos hinter seinen Gedanken, Fragmente von Erinnerungen an den titanischen Kampf, der die Wasserwesen vernichtet, sie Molekül für Molekül auseinander gerissen und im Vakuum des Alls verteilt hatte. Wie durch einen halb vergessenen Instinkt wusste er vom Bündnis der Wentals mit den Weltbäumen. Mit riesigen gemeinsamen Saatschiffen waren sie damals unterwegs gewesen… vor dem Verrat der Faeros. Es waren Bilder des Entsetzens, und Jess schloss die Augen, aber der Albtraum fand in seinem Kopf statt: Ein schreiender Wental wurde ins Inferno einer Sonne gezerrt.
Kraft und Zuversicht der Wentals durchströmten ihn, lösten sein Unbehagen auf. Wir beginnen von neuem, ein Tropfen nach dem anderen, und wir werden erfolgreich sein.
Dann trieben aktuelle Bilder Jess entgegen, von einem Angriff, der jetzt stattfand, beobachtet von einer anderen Wental-Präsenz, an Bord von Nikko Chan Tylars Schiff. Jess sah, wie große Kampfschiffe eine Station – das Hurricane-Depot! – angriffen. Es waren keine Hydroger, sondern Schiffe der Terranischen Verteidigungsflotte, Mantas und Molochs. Die Tiwis führten einen Großangriff durch, stahlen wichtige Ressourcen, nahmen Roamer gefangen… und zerstörten anschließend die Station!
Alle Wentals sahen das Geschehen und informierten die jeweiligen Wasserträger. Niemand war dem Hurricane-Depot nahe genug, um helfend einzugreifen, auch Jess nicht. Aber wenigstens wussten sie Bescheid. Die Große Gans würde dies nicht geheim halten können.
»Verdammt!«, fluchte er leise. Die Energie in seiner Haut reagierte auf den Zorn, und das Wasser im Innern des Schiffes schien in Wallung zu geraten.
Er konnte das Hurricane-Depot nicht rechtzeitig erreichen, aber er war trotzdem imstande zu helfen. Er konnte eine Nachricht schicken und etwas unternehmen.
Cesca muss davon erfahren! Dieser Gedanke war wie ein Schrei. Wer auch immer von Ihnen Cesca Peroni als Erster erreichen kann: Teilen Sie ihr mit, was geschehen ist. Nikko, bringen Sie ihr die Beweise.
Die Warnung würde sich ausbreiten wie kleine Wellen in einem Teich. Jess und die Wasserträger würden die Wentals wieder erstarken lassen, auf dass sie erneut gegen die Hydroger kämpfen konnten. Aber die Sprecherin aller Clans war die richtige Person, um den Vorsitzenden der Hanse zur Rede zu stellen.
Jess’ Herz führte ihn zu einem Kometen, der gerade den sonnennächsten Punkt seiner Bahn hinter sich zurückließ und zum Rand des Sonnensystems zurückkehrte, wobei die Gase in Hülle und Schweif wieder kondensierten. Erst vor einem Jahr hatte er sich mit Cesca im schleierartigen Schweif dieses Kometen getroffen.
Er dachte an seine Liebe, an die vielen Wechselfälle des Lebens. Dieser Komet würde immer etwas Besonderes für ihn sein, ein Ort der Erinnerung. Und mithilfe der Wentals wollte er ihn jetzt in etwas noch Magischeres verwandeln.
»Braucht ihr flüssiges Wasser, oder könnt ihr euch auch in Eis ausbreiten?«
Wasser ist Wasser, ganz gleich ob als Dampf, flüssig oder als Eis. Die Zustandsform spielt keine Rolle für uns.
Zwar reagierte das exotische Wental-Schiff auf seine
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