Sonnenstürme
bauten im strahlenden Schein von Lampen Getreide in Düngetrögen und hydroponischen Kanälen an. Das Bauern-Geschlecht produzierte Nahrungsmittel; darauf war es spezialisiert, und alle anderen Dinge interessierten es nicht. Anton war immer bestrebt, mehr über die ildiranische Kultur zu erfahren, und er hatte versucht, einen Eindruck von der Lebensweise der Bauern zu gewinnen, von ihrem speziellen Dienst für den Weisen Imperator. Doch sein Bemühen, mit Mhask’k und Syl’k zu sprechen, blieb praktisch auf einen Monolog seinerseits beschränkt. Wenn sie überhaupt etwas sagten, hielten sie den Blick dabei gesenkt. Ihre Finger blieben in Bewegung, berührten Blätter und Stängel, maßen den Feuchtigkeitsgehalt. Mhask’k und seine Partnerin Syl’k schienen mit wachsenden Dingen besser kommunizieren zu können als mit Personen.
Sie bildeten ein perfektes Paar und erinnerten Anton an seine vermissten Eltern. Margaret und Louis waren wie zwei Seiten der gleichen Medaille gewesen, hatten immer perfekt zusammengearbeitet, die gleichen Leidenschaften und Interessen geteilt. Anton bedauerte zutiefst, nicht zu wissen, was aus ihnen geworden war.
»Die meisten ildiranischen Geschlechter teilen Ihre Neugier nicht, Erinnerer Anton«, erklärte Vao’sh. »Mhask’k und Syl’k kümmern sich um die Treibhauskuppeln und bauen unsere Nahrung an. Das bereitet ihnen Freude und Genugtuung. Für andere Dinge interessieren sie sich nicht.«
Während der Fahrt wurde es dunkler, und Ilure’l schaltete die Innenbeleuchtung ein, sodass Anton Mühe hatte, draußen noch etwas zu erkennen. Weiter vorn sah er weiße Rauchfahnen, wie Abgase aus den Schloten einer Industrieanlage.
»Ich sehe mir dieses Spektakel jedes Jahr an«, sagte Ilure’l. In Vao’shs Gesicht kam es zu einer Symphonie aus Farben, die etwas zum Ausdruck brachten, wofür ihm die Worte fehlten.
Anton stoppte das Bodenfahrzeug an einer Stelle, die Ausblick auf emporsteigenden Dampf gab. Er verließ den Wagen als Erster und trat in die klirrende Kälte, hörte ein dumpfes Grollen, von einer Vibration im Boden begleitet. »Hören Sie das?«
Der Dampf bildete Nebel in der Dunkelheit. Feuchtigkeit gefror zu Schneeflocken, die langsam zu Boden sanken. Eis sammelte sich am Rand der Fumarolen an.
Seismische Untersuchungen hatten ergeben, dass der Boden unter Maratha Prime viele Aquiferen und thermische Kanäle enthielt. In der Stadt gab es zahlreiche heiße Quellen, zur Freude der ildiranischen Besucher. Wenn bei Einbruch der Dunkelperiode die Temperatur sank, kondensierte aufsteigendes Gas, das während der heißen Jahreszeit unsichtbar blieb, zu deutlich sichtbaren Rauchfahnen. Im Verlauf der nächsten Wochen wurde es immer kälter, wodurch der Dampf gefror, und schließlich entstand eine Eiskappe über den Geysiren, brachte sie zum Schweigen – bis sie zu Beginn der nächsten Lichtperiode explosionsartig zu neuem Leben erwachten.
Vao’sh und Ilure’l blieben im Lichtkreis des Fahrzeugs, während Anton furchtlos in die Schatten trat, um die perlweißen Wolken besser zu sehen. »Ich bin immer an Naturwundern interessiert gewesen, aber vorübergehende Phänomene wie dies sind viel… ergreifender.«
»Eine verwelkende Blume ist schöner als eine dauerhafte Statue unseres Weisen Imperators?« Ilure’l klang skeptisch.
»In gewisser Weise… ja. Zu wissen, dass man etwas verliert… Das zwingt einen, es zu schätzen, bevor es verschwindet.«
»Da hat Erinnerer Anton durchaus Recht«, sagte Vao’sh.
Der Ildiraner des Linsen-Geschlechts schien beunruhigt zu sein. »Das Thism ist schön, weil es sich nie verändert und für immer besteht. Seine perfekte Zuverlässigkeit inspiriert unseren Glauben. Zwar kann ich die natürliche Einzigartigkeit dieser Formationen bewundern, aber ich finde sie weniger schön als die Lichtquelle, wegen ihrer Vergänglichkeit.«
»Menschen glauben, dass es zwei und mehr Möglichkeiten gibt, eine Geschichte zu interpretieren«, sagte Vao’sh.
Anton lächelte. »Die Diskussion über solche Dinge hat meine… esoterischen Kollegen, die an Universitäten arbeiten, während ihrer ganzen beruflichen Laufbahn beschäftigt – und schon Generationen ihrer Vorgänger.«
Das Gespräch beunruhigte Ilure’l offenbar. »Wenn ich das Thism interpretiere, Erinnerer Anton, möchte ich nicht, dass andere ildiranische Geschlechter ihre eigenen Schlüsse ziehen. Zu viele Diskussionen bringen Fragen, keine Antworten. Wenn ich eine Antwort gebe, ist die
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