Sonnenstürme
umarmten, doch die Wentals hinderten ihn daran. »Komm nicht näher, Cesca. Bitte. So sehr es mir auch widerstrebt, dir das zu sagen, aber du solltest dich von mir fern halten.« Er hob eine leuchtende Hand und zeigte ihr das Glühen in den Fingern.
Cesca blieb stehen. Ihre großen braunen Augen schienen ihn zu verschlingen, und in ihrem Gesicht strahlte Freude. Das fast schwarze Haar war länger geworden, die olivfarbene Haut noch immer glatt und makellos. Doch sie wirkte müde – die Verantwortung der Sprecherin lastete schwer auf ihr.
Warum war sie nicht mit Reynald zusammen?
»Du hast dir Zeit gelassen für deine Rückkehr, Jess Tamblyn. Monatelang haben wir nach dir gesucht. So viel…« Cesca musste sich zwingen weiterzusprechen. »So viel hat sich verändert.«
Jess lachte leise. »Du ahnst nicht wie viel, Cesca.«
34 WEISER IMPERATOR JORA’H
Die Tage vergingen langsamer im Ildiranischen Reich, als Jora’h wusste, dass Nira tot war. Aber er musste noch immer seine Herrschaft festigen und alle Geschlechter im Thism zusammenführen. Seine Pflicht bestand darin, die Zukunft zu sichern.
Der stolze und absolut loyale neue Kommandeur der Solaren Marine betrat die Kontemplationskammer. Im traditionellen Gruß legte er sich die Hände aufs Herz. »Du hast mich zu dir gerufen, Herr?«
Es fühlte sich seltsam an, so vom eigenen Sohn angesprochen zu werden. Jora’h beschloss, die förmliche Anrede zu erwidern. »Ja, Adar Zan’nh. Ich habe über deinen ersten Einsatz als Kommandeur der Solaren Marine entschieden.« Er lächelte, als er die Reaktion des jungen Mannes sah, und dann begriff er: Sie würden nie wieder nur Vater und Sohn sein.
Es geschah selten, dass der erste Sohn des Erstdesignierten nicht aus dem Adels-Geschlecht stammte wie Zan’nh – so etwas hatte Jora’h nie beabsichtigt. Sein Vater hatte vor langer Zeit gewusst, dass Jora’hs erster adlig geborener Sohn der nächste Erstdesignierte sein würde, und deshalb hatte er viele Untersuchungen durchführen lassen und sich mit Angehörigen des Linsen-Geschlechts beraten, um die beste Partnerin zu finden. Blutlinien waren verfolgt und Stammbäume inspiziert worden, bis man Jora’h die geeignete Frau als Fait accompli präsentierte.
Sie hieß Liloa’h, war schlank, anmutig und still. Als sie sich in Jora’hs privaten Gemächern auszog, ein verziertes Kleidungsstück nach dem anderen ablegte, sah er, dass ihre Haut mit komplexen Mustern und Chamäleonfilmen geschmückt war, die ihn faszinierten.
Liloa’h wurde damals sofort schwanger, und Angehörige des Mediziner-Geschlechts überwachten ihre Schwangerschaft sorgfältig. Jora’h setzte unterdessen seine Pflicht fort, weitere Kinder zu zeugen. Seine zweite Partnerin war eine Frau aus dem Soldaten-Geschlecht, muskulös und stark, ganz anders als die ruhige, kultivierte Liloa’h. Auch sie wurde schwanger. Aus der Verbindung des Adels und mit dem Soldaten-Geschlecht ging oft eine Person hervor, die sich gut dafür eignete, die Aufgaben eines militärischen Offiziers wahrzunehmen. Jene Frau war Zan’nhs Mutter.
Jora’h hatte gehofft, Liloa’h wieder zu sehen, vielleicht sogar Freundschaft mit ihr zu schließen, aber der alte Weise Imperator belehrte ihn eines Besseren. Und dann, im letzten Monat ihrer Schwangerschaft, fiel Liloa’h von einer Rampe des Prismapalastes und verlor ihr Kind. Sie war sehr unglücklich darüber, ihrer Pflicht nicht nachgekommen zu sein und kein Kind zur Welt zu bringen, das einmal zum Weisen Imperator werden würde. Jora’h durfte sie nicht noch einmal sehen, aber er glaubte fest daran, dass sein Vater ihr ein angenehmes Leben ermöglicht hatte.
Und so, durch einen Zufall, wurde Zan’nh zum erstgeborenen Sohn und Thor’h – das erste adlige Kind, ohne sorgfältige Auswahl empfangen – zum Erstdesignierten. Zan’nh war ein Musterbeispiel dafür, was ein Ildiraner sein konnte, ganz im Gegensatz zum zerstreuten, egozentrischen Thor’h, der sich mit Pery’h und Rusa’h auf den Weg nach Hyrillka gemacht hatte. Jora’h seufzte. »Ich bin nicht sicher, ob der Erstdesignierte seiner Rolle gerecht wird, aber in deine Fähigkeiten setze ich volles Vertrauen.«
Zan’nh stand aufrecht und reglos da, sprach kein abfälliges Wort über seinen Bruder. Durch die hellen Linien des Thism sah Jora’h den Glanz der Entschlossenheit des jungen Mannes. »Ich bin sicher, dass Thor’h seine Pflichten erfüllen wird. Er ist Ildiraner – was könnte er sonst
Weitere Kostenlose Bücher