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Sonnensturm

Sonnensturm

Titel: Sonnensturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur C. Clarke , Stephen Baxter
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zerbrechliche Bänder
aus Eis, verdampft.
    Und auf dem Mars waren seit hundert Millionen Jahren
schlafende Vulkane erwacht. Die polaren Eiskappen, dünne
Kleckse aus Kohlendioxid und Wassereis, waren schnell sublimiert.
Und nun fiel Regen. Helena ging noch ein paar Schritte weiter und
beobachtete den Marsregen, der in die tiefen Schatten der
Schlucht fiel.
    Einer ihrer Kollegen meldete aufgeregt eine Entdeckung.
»Ich habe ein Schiff gefunden! Und was für ein Schiff;
es sieht aus wie der Kadaver eines gestrandeten Wals. Und es
trägt chinesische Schriftzeichen. Aber die Hülle hat
einen Riss von der Größe des Mariner Valley. Es ist
hart gelandet…«
     
    Helena hatte der Kommunikationen ihrer Kameraden den ganzen
langen Sol zugehört. Sie hatte in regelmäßigen
Abständen Routinemeldungen abgeschickt, aber entschieden,
ihnen nicht zu sagen, was ihr zugestoßen war –
jedenfalls noch nicht. Nun stand sie da und lauschte der Stimme
eines Kollegen, den sie nie wiedersehen würde.
    »Wartet einen Moment. Ich klettere gerade ins Schiff und
achte darauf, alle scharfen Kanten zu meiden… Oh. O
mein Gott.«
    Es waren mehr als hundert Menschen im Schiff gewesen. Sie
waren alle junge Männer und Frauen im zeugungs- und
gebärfähigen Alter, einschließlich der Piloten.
Die Fracht hatte aus aufblasbaren Schutzunterkünften,
mechanischen Grabwerkzeugen und hydroponischen Anlagen bestanden.
Die Absicht war klar. Das war es also, was die Chinesen in den
letzten fünf Jahren geplant hatten: Dafür hatten sie
ihre ganze Schwerlastkapazität eingesetzt, anstatt zum
Schild beizutragen. Mit diesem Plan hatten die Chinesen
sicherstellen wollen, dass ein Teil ihrer Kultur den Sonnensturm
überlebte.
    »Aber die chinesische Invasion des Mars ist
misslungen… obwohl sie es fast geschafft hätten. Ich
frage mich, was für Nachbarn sie wohl gewesen
wären?«
    Helena vermutete, dass sie gute Nachbarn gewesen wären.
Von hier war China sehr weit entfernt, genauso weit wie Eurasien
und Amerika. Hier war man einfach nur ein Mensch – oder
vielmehr ein Marsianer.
    Sie schaute zur Sonne auf. Sie würde gleich untergehen,
und sie wurde durch eine Atmosphäre, die mit Staub und
ungewohnten Regenwolken befrachtet war, zu einer groben Ellipse
verzerrt. Sie kannte den prognostizierten Ablauf; der Sonnensturm
musste bereits nachlassen – und doch störte sie etwas
an dieser untergehenden Sonne, als ob sie noch mit einer
unangenehmen Überraschung aufwarten würde.
    Der Staub zu ihren Füßen rührte sich. Sie
schaute hinab.
    Zwischen den aufklatschenden Regentropfen wuchs etwas aus dem
Boden. Es war nicht größer als ihr Daumen und glich
einem lederhäutigen Kaktus. Es hatte durchscheinende
Kammern; Fenster, um das Sonnenlicht einzufangen, sagte sie sich,
ohne einen wertvollen Tropfen Feuchtigkeit zu verlieren. Und es
war grün: Das erste heimische Grün, das sie auf dem
Mars gesehen hatte.
    Ihr Herz pochte heftig.
    Die Besatzung der Aurora hatte während des langen
Exils vergebens nach Leben auf dem Mars gesucht. Sie hatten sogar
eine riskante Reise zum Südpol unternommen, wo sie den
ältesten, kältesten jungfräulichen Permafrostboden
auf dem ganzen Mars gesucht hatten – in der Hoffnung,
Mars-Mikroorganismen zu finden, die dort eingeschlossen und
konserviert worden waren. Nicht einmal dort waren sie fündig
geworden. Diese epochale Entdeckung hätte ihnen die
jahrelange Trennung von der Heimat sicher versüßt; die
erfolglose Suche nach Leben war eine herbe Enttäuschung
gewesen.
    Und nun quoll es mir nichts, dir nichts vor ihr aus dem
Boden.
    Sie spürte ein schmerzhaftes Ziehen in der Brust. Sie
musste nicht erst die Monitore kontrollieren, um zu wissen, dass
der Anzug versagte. Zum Teufel mit dem Anzug; sie würde ihre
Entdeckung melden. Hastig schaltete sie die Helmkamera an und
beugte sich über das kleine Gewächs.
    »Aurora für Helena. Ihr werdet es nicht
glauben…«
    Seine Wurzeln waren tief im kalten Gestein des Mars vergraben.
Es brauchte keinen Sauerstoff, befeuerte seinen eisigen
Metabolismus aber mit Wasserstoff, der durch die langsame
Reaktion des vulkanischen Gesteins mit Spuren von Wassereis
freigesetzt wurde. Also hatte es eine Milliarde Jahre
überlebt. Wie eine Spore, die unter einer irdischen
Wüste auf die kurzen Regenfälle des Frühlings
wartete, hatte dieses geduldige kleine Gewächs eine Ewigkeit
auf die Wiederkehr des Marsregens gewartet,

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