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Sonnensturm

Sonnensturm

Titel: Sonnensturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur C. Clarke , Stephen Baxter
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Die Hülle
des Rovers hatte sie beschirmt, und der Anzug hatte sich
bemüht, sie zu kühlen. Also hatte sie überlebt
– obwohl sie nach allem, was sie wusste, eine Strahlendosis
abbekommen hatte, die Garant für den Tod war.
    Was im Moment natürlich eine rein akademische
Überlegung war.
    Als sie die Fahrt dann fortsetzte, hatte sie schließlich
auch den Ursprung des Signals aufgespürt, das zu finden sie
ausgezogen war.
    Es hatte sich als eine banale Funkboje entpuppt, ein kleines
unbemanntes, dreibeiniges Landegerät, das nicht
größer war als sie und einsam und verlassen vor sich
hin piepte. Vielleicht hatte es einen Landeplatz für ein
Schiff markieren sollen, das dann nie gekommen war. Aber es war
kein Geheimnis, wer es entsandt hatte: Die Markierungen auf den
Abdeckungen der Ausrüstung waren zweifelsfrei
chinesisch.
    Sie hatte die Fahrt umsonst gemacht. Und die Kosten erwiesen
sich als unerwartet hoch. Als sie zu ihrem treuen Beagle zurückkam, stellte sie nämlich fest, dass er den Geist
aufgegeben hatte – einfach so. Die Elektronik, die
angeblich den militärischen Spezifikationen entsprach, war
vermutlich dem Angriff der Sonne erlegen; die wichtigsten
Systeme, einschließlich der Lebenserhaltung, waren so tot
wie der Mars selbst.
    Das war es also. Ohne den Rover konnte sie nicht zur Aurora zurückkehren. Die Anzugs-Reserven würden
nur noch für ein paar Stunden reichen. In dieser kurzen Zeit
würde ein Bergungs-Rover sie nicht erreichen. Sie war noch
bei genauso guter Gesundheit wie einen Sol zuvor. Aber sie war
durch die grausamen Gleichungen des Überlebens auf dem Mars
verloren.
    Natürlich wäre sie heute nicht das einzige Opfer im
Sonnensystem. Wenigstens war sie etwas Besonderes, sagte sie
sich. Obwohl sie nicht als erster Mensch den Fuß auf den
Mars gesetzt hatte, würde sie als erster Mensch hier
sterben. Vielleicht war das ein Denkmal wert.
    Und sie würde bis zum letzten Atemzug ihre Pflicht
erfüllen.
    Die Weltraumbehörden hatten immer Prozeduren für
solche Eventualitäten. Wenn sie im Weltraum starb,
würde ihre Leiche – wie es von NASA-Strategen vor
Jahrzehnten beschlossen worden war, als die Internationale
Raumstation in Betrieb genommen wurde – in einen
Leichensack gepackt und verankert werden, bis sie zur Erde
überfuhrt wurde. Hier auf dem Mars galt ihre Verantwortung
in erster Linie dem Planeten und seiner mutmaßlichen
Biosphäre; sie durfte sie nicht mit ihrer verwesenden Leiche
kontaminieren. Sie musste also nicht mehr tun, als hier zu
verharren. Wenn die Anzugsheizung versagte, würde sie
schnell gefrieren – und dadurch alle Bazillen versiegeln,
die sie vielleicht von der Erde eingeschleppt hatte –, bis
ihre Leiche schließlich geborgen wurde. Wahrscheinlich
würde der Anzug nicht einmal umkippen. Sie würde eine
Statue, sagte sie sich, würde sich und ihrem Pech selbst ein
Denkmal setzen.
    Aber sie ertrug den Gedanken nicht, neben dem armen Rover zu
sterben. Deshalb hatte sie sich entschieden, in die Marswildnis
hinauszumarschieren, um noch etwas mehr von dem Planeten zu
sehen, der sie tötete.
    Und selbst da hatte sie Pech. Sie war über eine doofe
Ebene zu dieser doofen Schlucht gestapft. Da war sie nun inmitten
der größten Katastrophe, die das Sonnensystem seit
seiner Entstehung erlitten hatte, und jeder hatte eine bessere
Aussicht als sie.
    Etwas regte sich zu ihren Füßen. Im Boden
entstanden kleine Gruben – Krater, wie sie zunächst
glaubte, aber nicht größer als ihr Daumennagel. War
sie vielleicht in einen seltsamen Mikrometeoriten-Hagel geraten?
Doch nun hörte sie ein Prasseln auf dem Helm.
    Sie schaute auf. Sie sah die Tropfen aus dem Himmel fallen
– große, dicke Niedergravitations-Tropfen, die
langsam um sie herum niedergingen. Beim Auftreffen verschmierten
sie die Staubpatina auf der Gesichtsplatte.
    Es war Regen, der erste Regen auf dem Mars seit einer
Milliarde Jahren.
    Die Sonne atmete Feuer ins Antlitz der sie umtanzenden
Kinder.
    Auf Merkur war die Sonnenseite geschmolzen, und Krater so alt
wie der Planet zerflossen zu Magma-Palimpsests. Die Venus war
eines Großteils ihrer drückenden Atmosphäre
beraubt worden – ein Schicksal, das auch der Erde gedroht
hätte, wäre der Schild nicht gewesen. Die Eismonde von
Jupiter wurden bis in eine Tiefe von etlichen Kilometern
geschmolzen. In einer schrecklichen und erlesenen Tragödie
zugleich waren die Ringe des Saturn,

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