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Sonnensturm

Sonnensturm

Titel: Sonnensturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur C. Clarke , Stephen Baxter
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Eheschließungen, Scheidungen – und auch
einen Mord, ein summarisch abgeurteiltes Verbrechen. Trotz aller
Vorsichtsmaßnahmen waren sogar zwei Babies geboren worden;
es hatte indes nicht den Anschein, dass sie durch die
Schwangerschaft in der Schwerelosigkeit geschädigt worden
wären. Sie waren sofort mit ihren Eltern zur Erde geschickt
worden.
    Doch nun war ein ganzes Viertel dieser Gemeinschaft tot, ein
weiteres Viertel lag schwer krank darnieder, und der Rest war
auch ziemlich lädiert – einschließlich Bud. Sie
alle hatten wegen ihrer verstrahlten Körper ein enorm
erhöhtes Risiko, in der Zukunft an Krebs zu erkranken und
mussten auch mit anderen Spätfolgen rechnen. Für das,
was sie heute geleistet hatten, hatten sie alle mit ihrer
Lebenserwartung bezahlt oder mit dem Leben selbst – und
nicht einer hatte gemurrt, selbst als ihm das finale Opfer
abverlangt wurde.
    Bud hatte in der Öffentlichkeit immer Entschlossenheit
demonstriert. Doch schon vor dem Ereignis hatte er grausame
Kalkulationen ›vertretbarer‹ Todesfallzahlen
anstellen müssen. Er hatte das Gefühl, den Tod dieser
Leute geradezu geplant zu haben. Und mit jeder armen
Seele, die er in diesen Glutofen beordert hatte, mit jedem neuen
Todesfall, den er der Bilanz hinzufügte, glaubte er, es
würde ihm das Herz brechen.
    Aber er hatte auch den Auftrag, sich um die Überlebenden
zu kümmern; bisher hatte er sich damit noch zu trösten
vermocht. Nach dieser langen Zeit in der Mikrogravitation
würden die Helden vom Schild ihre Medaillen und Paraden so
schnell nicht bekommen. Sie würden alle total
geschwächt zur Erde zurückkehren und für ein
halbes Jahr Reha-Maßnahmen, Massage, Hydrotherapie und
Aufbauprogramme über sich ergehen lassen müssen, um
Kraft, Ausdauer und den Mineralienspiegel der Knochen wieder
herzustellen – bis sie in der Lage waren, vor einen
Präsidenten oder zwei hinzutreten und die Ovationen
entgegenzunehmen, die sie verdient hatten.
    Das war sein Plan gewesen, seine Leute nach Hause zu bringen
– er hatte ihn im Geiste schon durchgespielt. Nun sah es
jedoch so aus, als ob nichts dergleichen geschehen würde.
Wenn das nämlich stimmte, was Michail und Eugene ihm da
erzählten, wäre dieses riesige Opfer vielleicht
völlig vergeblich gewesen, und sie hätten genauso gut
zu Hause bleiben und darauf warten können, bis der Sturm sie
verbrannte.
    Er vermochte hier nichts mehr zu bewirken. Er atmete durch und
ging wieder in den Kontrollraum.
     
    Eugene und Michail saßen nebeneinander in einem winzigen
Raum in Clavius.
    »Es wird als ›koronaler
Masseausstoß‹ bezeichnet«, sagte Michail mit
belegter Stimme. »An sich ist das kein ungewöhnliches
Phänomen. Selbst in normalen Zeiten gibt es viele solche
Ereignisse pro Jahr.«
    »Ich dachte, der 9. Juni sei durch einen
Masseausstoß verursacht worden?«, sagte Bud.
    »Ja«, sagte Eugene schroff. »Aber der ist
größer. Viel größer sogar.«
Nervös referierte Eugene die letzten Ereignisse auf der
Sonne: Die Konzentration magnetischer Feldlinien über der
Störungszone, die das Epizentrum des Sonnensturms gewesen
war, das Einfangen einer riesigen Plasmawolke unter diesen
Flusslinien – und wie die Wolke dann von der Sonne
weggeschleudert worden war.
    Bud hörte den Ausführungen nur mit halbem Ohr zu und
beobachtete die zwei Astrophysiker. Sie litten – das war
deutlich zu sehen. Michails Gesicht war gezeichnet von
Erschöpfung, und Schatten tief wie Mondkrater lagen um seine
Augen; so alt hatte er noch nie auf Bud gewirkt.
    Eugenes Ausdruck, der das Gesicht dieses sanftmütigen
Jungen verzerrte, war komplizierter – was allerdings auch
für Eugene als Person galt. Rose Delea hatte Eugene wegen
dieses speziellen Gesichtsausdrucks immer als
›autistisch‹ bezeichnet, wie Bud sich erinnerte
– doch nun war die arme Rose tot. Bud hatte Eugene aber nie
als eine unmenschliche Rechenmaschine betrachtet, und nun glaubte
er sogar die Emotionen in diesen hellblauen Augen zu lesen
– ein Gefühl, das jeder Soldat nachvollziehen konnte: Die Operation ist vermasselt worden. Und ich befürchte,
lieber Gott, dass ich es vielleicht bin, der sie vermasselt
hat.
    Bud rieb sich die Augen und versuchte, sich zu konzentrieren,
nachzudenken. Nach seinem sechsstündigen Aufenthalt auf dem
Schild steckte er noch immer in der schmutzigen langen
Thermo-Unterhose. Er roch den Schweiß und das verkrustete
Erbrochene im

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