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Sonnensturm

Sonnensturm

Titel: Sonnensturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur C. Clarke , Stephen Baxter
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ein typisches Familien-Notlager. »Ein
Grund, weshalb ich Linda hier behalte. Lieber eine Verwandte als
ein Fremder…«
    Siobhan ging zum Fenster des Apartments. Die nach Süden
gehende Wohnung bekam viel Licht. Die großen Schatten des
Kuppelgerüsts schraffierten den Himmel, aber man hatte von
der Stadt aus noch eine gute Sicht nach Osten. Und Siobhan sah,
dass aus jedem nach Süden hinausgehenden Fenster und Balkon
und auf jedem Dach silberfarbene Decken drapiert waren. Die
Decken waren Smartskins, Stücke des Weltraumschilds,
die in der ganzen Stadt von ganz normalen Londonern
gezüchtet wurden.
    Bisesa kam mit einem Glas Fruchtsaft zu ihr. »Ein toller
Anblick, nicht?«, sagte sie lächelnd.
    »Das ist großartig«, sagte Siobhan
aufrichtig.
    Bisesas Inspiration hatte sich erstaunlich gut in die Praxis
umsetzen lassen. Um ein Stück Schild zu züchten, das
die Welt retten würde, brauchte man nur Geduld, Sonnenlicht,
einen Baukasten, der nicht komplizierter war als eine
Dunkelkammerausrüstung und elementare Nährstoffe:
Schön zerkleinerte Haushaltsabfälle genügten
schon. Der Rohstoff für die intelligenten Bestandteile war
für eine Weile ein Problem gewesen, bevor um die
Jahrhundertwende angelegte Müllkippen mit Handys, Computern,
Spielen und anderen aufwendigen Spielsachen in Silizium-,
Germanium-, Silber-, Kupfer- und sogar Goldminen verwandelt
worden waren. In London hatte es nur eine Parole für das
Programm gegeben, auch wenn sie terminologisch ungenau war: Graben für den Sieg.
    »Das ist unglaublich inspirierend«, sagte Siobhan.
»Menschen auf der ganzen Welt arbeiten zusammen, um sich
selbst und sich gegenseitig zu retten.«
    »Ja. Aber sagen Sie das mal Myra.«
    »Wie geht es ihr denn?«
    »Sie hat Angst«, sagte Bisesa. »Nein, es
geht wohl noch tiefer. Sie ist vielleicht sogar
traumatisiert.« Sie wirkte gefasst, zugleich aber auch
wieder müde und schuldbeladen. »Ich versuche, die
Dinge von ihrer Warte aus zu betrachten. Sie ist erst zwölf.
Als sie kleiner war, verschwand ihre Mutter immer für
mehrere Monate – und tauchte dann aus dem Nichts wieder auf
und schaute kariert. Und nun haben wir die Bedrohung durch den
Sonnensturm. Sie ist ein kluges Kind, Siobhan. Sie versteht die
Nachrichten schon. Sie weiß, dass am 20. April alles, was
ihr Leben ausmacht – ihr ganzer Kram, die Softwall, die
Synth-Stars, ihre Monitore und Bücher und Spielsachen sich
einfach auflösen werden. Es war schon schlimm genug, dass
ich ständig weg war. Ich glaube nicht, dass sie mir dann
auch noch verzeihen wird, dass ich das Ende der Welt zu
verantworten habe.«
    Siobhan dachte an Perdita, die gar nicht zu begreifen schien,
was ihr bevorstand – oder es auch nicht wahrhaben wollte.
»Das ist vielleicht besser, als es zu verdrängen. Aber
ein Trost ist es auch nicht.«
    »Nein. Für mich war nicht einmal die Religion ein
Trost. Gott war für mich nie ein großes Thema. Obwohl
ich Myra dabei erwischt hatte, wie sie die Wahl des neuen Papstes
verfolgte.« Nach der Vernichtung Roms hatte der neue Papst
in Boston Residenz bezogen; die großen amerikanischen
Diözesen waren sowieso seit langem schon viel reicher
gewesen als der Vatikan. »Die ganze Religiosität
beunruhigt mich – Sie nicht? Diese
Sonnenkult-Anhänger, die plötzlich aus der Versenkung
auftauchen.«
    Siobhan zuckte die Achseln. »Ich akzeptiere das. Wissen
Sie, selbst auf dem Schild wird viel gebetet. Religionen
können auch einem sozialen Zweck dienen, indem sie uns um
ein gemeinsames Ziel scharen. Vielleicht sind sie aus diesem
Grund überhaupt erst entstanden. Ich glaube nicht, dass es
schädlich ist, wenn die Leute den Schild als…
äh… eine Kathedrale am Himmel betrachten – wenn
es ihnen nur hilft, den Tag zu überstehen.« Sie
lächelte. »Ob Gott nun zusieht oder nicht.«
    Bisesas Ausdruck war aber düster. »Ich weiß
nichts über Gott. Davon, dass andere uns beobachten, bin ich
aber überzeugt.«
    »Sie denken noch immer an die Erstgeborenen«, sagte Siobhan vorsichtig.
    »Wie sollte ich nicht?«, fragte Bisesa mutlos.
    Mit frischem Kaffee setzten sie sich auf Bisesas
Plüschsofa. Es war eine unpassende Kulisse für die
Erörterung einer der philosophisch tiefgründigsten
Entdeckungen, die je gemacht wurden, sagte Siobhan sich.
»Das ist wohl der Traum ganzer Zeitalter«, sagte
sie.
    »Wir haben seit den alten Griechen über
außerirdische Intelligenz

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