Sonnenwanderer
wie sehr er Tabea Jute hasste. In ihren dunkelsten Augenblicken war Xtaska ihr einziger Lichtblick. Sie fragte sich, wie jemand, der sich derart in den Netzen herumtrieb, sein Tun vor dem Cherub verbergen konnte. Vorausgesetzt, alles, was dieser Mann sie sehen und hören ließ, war echt. Vielleicht befand sie sich trotz der Docklandschaft hinter dem Cockpitfenster gar nicht in einer Navajo-Skorpion, sondern in einem mit Brettern vernagelten Touristenhotel oder einer abgeschiedenen VR-Suite der Chaos-Kaverne. Es sähe ihm ähnlich, sich einen Spaß daraus zu machen, einer Gauklerin etwas vorzugaukeln.
Ihre Scham schmeckte bitter, salzig und scharf, alles auf einmal. Grant Nichtsweiter fand, dass sie wie eine richtige Menschin schmeckte. Wann immer er sie schmeckte, dachte er daran, dass auch Tabea diesen Geschmack kannte, ihre Zunge, ihr Mund. Und dann dachte er natürlich an Tabeas Scham, von der er eine sehr gute Vorstellung hatte, und versuchte sich deren Geschmack vorzustellen. Er besah sich diese weiße und bittere Scham und
verglich sie in Gedanken mit jener, so dunkelbraun und süß und saftig. Hoffentlich verdarb sie nicht.
Der Leib, der sich unter ihm spreizte, war nicht braun und kompakt, sondern mager und sanft, alle schmalen Flächen und Nischen von vollkommener, kindlicher Haut. Auf den Bildschirmen hob und senkte sich ein weißer Hintern. Obwohl es sein Hintern war, empfand Grant Nichtsweiter keine Bewegung, sondern nur, wie sich die Grenzen seiner Wahrnehmung auflösten. Als radiere die einfache, primitive Aktivität, die er ausführte, alles aus, was sich rings um das Bett befand, und erlaube es seiner Identität, sich grenzenlos auszudehnen, ohne jeden Widerstand.
Die Menschin war heute auffallend willfährig. Sie hatte auch nichts gegen den Irrwisch einzuwenden, der neben dem Bett schwebte und ihnen mit seinen Rosinenäugelchen zusah. Später erst, geduscht, angezogen und wieder im Cockpit, da ging ihm auf, dass es ihr überhaupt nicht ähnlich sah, derart zu schweigen und stillzuhalten. Häufig wand sie sich in ihren Fesseln und versuchte ihn loszuwerden, wehrte sich auf eine Weise, die durchaus stimulierend sein konnte. Obwohl Jogo die Wildere war, hätte sie sich niemals getraut, was sich die kleine, magere Gespielin von Käpt’n Jute traute. Vielleicht begann sich seine Gefangene endlich zu unterwerfen und zu begreifen, dass sie vergebens auf die hirnlosen Söldner von Käpt’n Jute hoffte. Er hatte ihr noch nichts vom Zustand Tabeas erzählt.
Der Irrwisch kitzelte ihn mit seiner Antenne am Ohr. »Die Frau hat ins Bett gepinkelt.«
Grant Nichtsweiter fuhr mit einem Fluch zu Jogo herum. »Hast du wieder vergessen, sie loszumachen? Warum muss man dir immer alles sagen?« Angewidert von ihrem servilen, durchgedrückten Rücken wandte er sich ab. Er wusste sehr wohl, dass
ihre Unachtsamkeit auf eine engstirnige Eifersucht zurückzuführen war. »Nun steh nicht herum, du dämliche Kreatur. Geh und mach sauber!«
»Wann haben Sie zuletzt Ihren Freund, Herrn Schwartz, gesehen?«, wollte der Gute Doktor von Niglon Leglois wissen. Sie befanden sich in der Leitstelle von Onkel Charlies Sanatorium.
Niglon Leglois hatte seinen Sessel in die Ecke gezwängt. Hier saß er normalerweise, nur von hier aus konnte er alle Wände und die Decke im Auge behalten. Durch die Wände hinter ihm drang die frostige Kälte des evakuierten Viertels, des früheren Wingwater. Dort war es jetzt stockfinster und so luftleer wie im richtigen Weltraum.
»Herr Schwartz wird bald zurück sein«, erklärte er dem Doktor. »Er weiß, wie er die Zeitfehler umgeht.«
Der Gute Doktor stand vor dem Bedienfeld und ließ den Blick schweifen. Er lächelte verständnisvoll. »Mein Bester«, sagte er, »es gibt keine Zeitfehler in Plenty. Das ist blanker Unsinn. Was es gibt, sind gesellschaftlich verstärkte Gedächtnisstörungen, eine langfristige Nebenwirkung der subjektiven Zeit. Aber jetzt zeigen Sie mir noch mal, wie ich Frau Oriflamme auf dieses Ding kriege. Seien Sie so gut, ja?« Unwillig verließ der schäbige kleine Mann seine Ecke und kam mit gesenktem Kopf durch den Raum. Der Doktor konnte sich des Gedankens nicht erwehren, dass es um die Kleidung des Mannes nicht besser bestellt war als um sein Selbstwertgefühl. Es gab weiß Gott noch Hunderte von anständigen Anzügen in den Läden, wenn man sich nur aufraffte und auf die Suche ging. Das Schiff war kein Ort für Klaustrophobe, sann er, als Leglois auf den
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