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Sonnenwanderer

Titel: Sonnenwanderer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Greenland
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drehte.
    Aber eine Antwort blieb aus.
    »Alice?«
    Noch immer Stille, bis auf das ewige Rascheln der virtuellen See.
    Tabea hob den Kopf. »Alice!«

    »HAST DU EIN PROBLEM, KÄPT’N?«
    »Du hast nicht geantwortet«, gähnte sie.
    »ICH WAR GANZ WEIT FORT«, sagte Alice.
    »Du sollst mich doch glücklich machen«, sagte Tabea.
    »BIST DU UNGLÜCKLICH, KÄPT’N?«
    Käpt’n Jute hielt einen Moment inne, ihr fiel etwas auf. Erstens hatte Alice nicht geantwortet, und dann hatte sie keine vernünftige Erklärung geliefert. Lag wahrscheinlich an ihren Denkkreisen. Aber sie hatte sich nicht entschuldigt.
    »Ich war schon glücklicher«, sagte Tabea. Sie ließ Alice einen Augenblick Zeit für die Antwort. Heiß spürte sie die imaginäre Sonne auf der Haut.
    Wieder blieb Alice die Antwort schuldig.
    »Dieses Integrationsprojekt«, sagte Tabea rasch zu ihrer alten kybernetischen Schiffskameradin. »Das ist doch kompletter Unfug, oder?«
    »DEFINIERE BITTE ›UNFUG‹.«
    »Du weißt schon. Ich meine - unmöglich.«
    »WELCHE BESONDEREN WAHRSCHEINLICHKEITEN SOLL ICH BERECHNEN?«
    »O Gott, lass das.« Sie streckte sich. »Wie lange liege ich schon hier?«
    »23 MINUTEN UND 6,73 SEKUNDEN.«
    »Nicht länger? Verbrauchen wir zu viel Strom, wenn wir die Sonne so lassen?«
    »NEIN. DIE WÄRME WIRD INDUZIERT, NICHT ABGESTRAHLT. THERMODYNAMISCH BETRACHTET IST ES GAR KEINE WÄRME.«
    »Dann ist es ja gut«, sagte Tabea und entspannte sich wieder.
    »DU KÖNNTEST NACHT HABEN, WENN DICH DIE SONNE STÖRT?«

    Es dauerte ein paar Herzschläge, dann lag die Nacht über dem Strand, leise und windstill. Es war zehn Grad kühler. Am indigoblauen Himmel schwamm eine feine Mondsichel. Die See trug Lackschwarz und brach sich in silbernen Netzen. »Ich habe daran gedacht«, sagte Tabea.
    »JETZT HAST DU ALLE INFORMATIONEN, KÄPT’N«, sagte das Ego liebenswürdig. »TAG …« Die Sonne brannte gnadenlos herunter, aus einem blauen Himmel. »… UND NACHT.« Dunkelheit verschluckte die virtuelle Kulisse. In der Ferne zwinkerte der winzige Leuchtturm.
    »Ja, schon gut, Alice, ich hab’s kapiert.«
    »UNZUREICHENDE INFORMATION FÜHRT ZU UNERWÜNSCHTEN ERGEBNISSEN«, erklärte Alice höflich.
    Tabeas Unterkiefer sackte herunter. »Ich sage dir gleich, was unzureichend ist!«
    »AYE-AYE, KÄPT’N.«
    Unzureichende Information führt zu unerwünschten Ergebnissen. Solche Sprüche in Acrylglas geschliffen hatten ältere Konsolenjockeys auf ihren Pulten liegen. Obenauf ein angebissener Donut. Gott, Alice war manchmal ein hartes Stück Arbeit. Vielleicht war sie sich inzwischen zu schade, einen simplen Umweltsimulator zu bedienen. Unter irgendeinem ergonomischen Blickwinkel mochte sie sogar recht haben. Tabea fand keine Ruhe, sie zog ihre Lederjeans an und stapfte ins Ankleidezimmer.
    Da lümmelten sich die Mädels herum: Topaz und Dorcas und Karen Narlikar und noch zwei, die sie nicht einmal kannte; sie schwatzten und tranken Tabeas Alkopops. »Kommt«, sagte sie. »Wir gehen vor die Tür.«
    Sie drehten sich alle um und sahen sie an. »Wozu?«
    Käpt’n Jute schob beide Hände die Hosennaht hinunter. »Ertüchtigung.«

    »Willst du so gehen?«, fragte Karen mit Blick auf Tabeas Brüste.
    »Am liebsten, ja.«
     
    Körperbetonte Typen aller Spezies standen Schlange, um Käpt’n Jute zu beeindrucken, besonders seit Kenny begonnen hatte, seinen kleinen Kader zu rekrutieren. Wenn sie angeheitert oder high war, triezte sie die Jungs gerne. »Du findest dich wohl toll, was?«, konnte sie zu einem hoffnungsvoll Posierenden sagen. Mit dem Zeigefinger zog sie ihre Mundwinkel nach und sah zu, wie der Betreffende hochkochte. Dann sagte sie: »Siehst du, das gefällt mir an dir.«
    Sie und die Mädels flanierten weiter, lachten. Es war wie in Kindertagen. »Das gefällt ihnen«, erklärte sie Karen Narlikar, die Hände tief in den Taschen. »Nimm die Kerle auf den Arm, und sie kommen wieder, weil’s da so schön war. Kenny!«, stieß sie plötzlich hervor und schwenkte mit wehendem Mantel rücklings in eine Türöffnung.
    Sofort war Kenny zur Stelle, schirmte sie ab und langte nach seiner Waffe. Sie packte ihn beim Kragen und zeigte fieberhaft in die Horde von Raumfahrern und Tunnelarbeitern, die auf den Stufen des Restaurants zum Fliegenden Tiger lungerte. »Was versteckt der Mann da unter seinem Hemd?«
    Kenny jaulte einen Befehl. Einer von seinen Jungs ging rüber, wurde handgreiflich und zerrte den Mann auf die Straße. Über den Unruhestiftern

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