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Sonnenwende

Sonnenwende

Titel: Sonnenwende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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musste anfangen zu lachen, es ging einfach nicht anders. Mein Gott, war das süß. Sie konnte gar nicht mehr aufhören. Und dieser Hüne stand da, als wollte er am liebsten im Boden versinken. Sie lachte immer lauter. Das gab’s doch gar nicht! Große Güte, war der unsicher. Sie hielt sich eine Hand vors Gesicht, die andere streckte sie nach Wladimir aus: »Ent schuldige , bitte, hahahaha.«
    Sie bekam keine Luft mehr und fing an zu glucksen.
    Paula: »Wladimir, ich glaube, du kannst jetzt gehen.«
    Das Training dauerte anderthalb Stunden. Neunzig endlose Minuten, in denen Wladimirs Kiefer mahlten und er cool zu bleiben versuchte, während seine Zornesader schwoll und er heimlich Paula verfluchte, dieses kleine Monster. Als er den Gang nach Canossa antrat, um Paula wieder abzuholen, lief |58| sie ihm freudestrahlend entgegen: »Franziska hat gesagt, fragen musst du schon selbst, wenn du mit ihr ausgehen willst.«
    Im Auto regulierte sich langsam sein Adrenalinspiegel, wenngleich seine Ohren noch nachglühten. So entblößt war er sich noch nie vorgekommen. Aber es hatte funktioniert, Franziska würde mit ihm essen gehen.
    ***
    Wladimir lud sie zum Italiener ein. Mittelklasse. Der Salat war in Ordnung, die Weinpreise überschaubar. Es gestaltete sich weniger zäh als befürchtet. Natürlich musste er manchmal Interesse heucheln, wo keins war, und bei dem einen oder anderen Thema Geduld beweisen, aber sie war wirklich süß. Zwischendurch musste er sich sogar zur Räson rufen, um nicht jetzt schon den Abschuss vorzubereiten. Es war ihr erstes Date, da würde er sie schön brav zu Hause absetzen, schließlich sollte sie nicht denken, er hätte es nur auf den Sex abgesehen. Noch einen Cocktail, dann sagte er ihr, er müsse morgen früh raus. So endete der Abend im Auto vor ihrer Tür.
    Franziska: »Das war ein schöner Abend.«
    »Fand ich auch.«
    Pause. Jetzt hätte sie eigentlich aussteigen können.
    Wladimir: »Sehen wir uns mal?«
    Unverbindlich bleiben und trotzdem Interesse zeigen. Nicht originell, zugegeben, erfüllte aber seinen Zweck. Franziska war verunsichert.
    »Eigentlich hab’ ich einen Freund«, sagte sie kleinlaut.
    Wladimir war verärgert. Dieses Du-ich-hab-einen-Freund-Gequatsche war einfach die perfekte Art, einen Flirt in null Komma nichts an die Wand zu stellen und hinzurichten. Wen interessierte denn so etwas? Eigentlich sollte er auf so eine Ansage einfach wortlos die Tür öffnen. Weshalb ließ sie sich |59| auf ein Date mit begehrlichen Blicken und vielsagendem Grübchenlächeln ein, um den Abend anschließend den Hunden ihres Gewissens zum Fraß vorzuwerfen? Wladimir verlor alle Lust. Er ließ den Wagen an.
    Franziska: »Dienstag hätte ich Zeit.«
    Was?
    Niemals würde er die Frauen verstehen, das war mal klar. Erst ließ sie ihn auflaufen, im nächsten Moment wedelte sie mit der Federboa. Er wollte gerne, war aber beleidigt. Es ging nicht mehr.
    Wladimir: »Ich ruf ’ dich an.«
    Sie küsste ihn auf die Wange: »Ciao.«
    »Ja, tschüs.«

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    |60| Helen
    Wladimir und Tom hatten beschlossen, diesen Samstag nicht zu arbeiten. Bevor Tom richtig wach war, bemerkte er, dass er alleine im Bett lag. Ihm fiel ein, dass Helen mit einer Kollegin zum Frühstück verabredet war. Es war bereits nach elf, er hatte geschlafen wie ein Kind. Seine Finger waren steif, wie jeden Morgen, seit er seine Tage in Gesellschaft von Schleifmaschinen, Hämmern und Beiteln verbrachte.
    Nicht nur seine Finger. Tom umschloss seinen Penis und dachte an schöne Zeiten zurück. Was für ein Start in den Tag! Nachdem er sich geduscht und rasiert hatte und seine Zähne strahlten wie »Dulux Edelweiß«, beschloss er, im Epikur zu frühstücken. An der Haustür wartete das Leben bereits und winkte ganz aufgeregt. Im Handschuhfach fand er die alte Curtis-Mayfield-CD, die Helen schon seit Wochen vermisste – genau richtig.
    An der zweiten Ampel stand er in Poleposition. Die Autofahrer hatten schon Rot, die Fußgänger noch nicht Grün. Alle warteten auf das Signal zum Aufbruch. Tom hatte die Scheiben heruntergelassen, damit das Leben ihn auch ja nicht ignorierte. Zwischen zwei Müttern mit Kinderwagen, einem Mädchen mit Schulranzen, das in drei Jahren Paula sein konnte, und einem älteren Mann, der seinen Stock verlegt haben musste, weil er sich sonst nicht bei diesem Wetter auf einen Regenschirm stützen würde, stand eine junge Frau. Sie überragte alle anderen, und Tom wusste, dass ihre langen goldbraunen Haare

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