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Sonnenwende

Sonnenwende

Titel: Sonnenwende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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verabschieden. Die wusste, jetzt gehörte Tom ihr. Sie kam zum Zaun gelaufen, winkte und zeigte ihm zwei Finger: Zwei Minuten, dann hatte er zu kommen. Tom streckte ihr seine ausgebreitete Hand entgegen – fünf.
    »Was ist los?«, fragte Charlotte, als sie das Geschirr abräumte.
    |73| Tom: »Setz dich, ich muss dich was fragen.«
    Charlotte schaute verwundert. So bestimmend kannte sie Tom nicht. Sie stellte das Tablett ab und nahm sich den freigewordenen Stuhl, ihre Schicht war sowieso vorbei. Ungefragt kramte sie einen Apfel aus einer von Toms Einkaufstüten und biss hinein.
    »Ich höre.«
    »Weshalb hast du dich von Paul getrennt?«
    »Machst du deshalb so ein Gesicht?«
    »Keiner hat das verstanden.«
    »Weshalb fragst du nicht Paul?«
    »Hab’ ich. Alles, was ich aus ihm herausbekommen konnte, war, ›es ging halt nicht mehr‹.«
    »Beruhig dich, wir haben es auch nicht verstanden. Manchmal liebt man sich, und es geht trotzdem nicht. Er hat mich zu sehr eingeengt, manchmal wusste ich gar nicht mehr, ob es mich überhaupt noch gibt.«
    »Und jetzt?«
    »Jetzt bin ich frei!«
    Sie klang, als sei auch das nur zweite Wahl.
    »Außerdem bin ich fremdgegangen. Das bring’ ich einfach nicht auf Dauer. Nach einer Weile hab’ ich mich Paul gegenüber richtig mies gefühlt. Das konnte ich ihm nicht lange antun, schließlich liebe ich ihn.«
    Sie kaute lässig den Apfel.
    »Du bist fremdgegangen?«
    »Sag’ ich doch. Jetzt schau nicht so. So dramatisch ist das auch wieder nicht. Irgendwas wird er schon gemacht haben, das mich dazu gebracht hat. Da gehören immer zwei zu.«
    »Du meinst drei.«
    »Wenn’s reicht.«
    Tom hatte gedankliche Gleichgewichtsstörungen.
    »Was ist mit dem anderen?«
    |74| »Welchen meinst du?«
    »… Vergiss es.«
    »Wer bist du? Der heilige Johann?«
    »Das frage ich mich auch langsam.«
    »Die Typen, mit denen ich im Bett war, bedeuten mir nichts, wirklich. Ich hab’ sie benutzt, wenn du so willst. Aber wenn es dich beruhigt, ich glaube nicht, dass einer von ihnen dauerhaften Schaden genommen hat. Komm schon, guck nicht so bedrippelt. Bist
du
etwa noch nie fremdgegangen?«
    »Nein!«
    »Das glaub’ ich nicht. Ehrlich?«
    »Natürlich!«
    »Bist du süß! Wie lange seid ihr jetzt zusammen?«
    »Fast acht Jahre.«
    Es klang wie hundert. Charlotte zog die Schultern hoch und biss ein großes Stück aus dem Apfel heraus. Tom konnte das Gehäuse sehen.
    »Kann helfen.«
    »Hat es bei euch geholfen?«
    »Nicht auf Dauer.«
    Sie trank von seinem Kaffee und überlegte einen Moment.
    »Geht Helen fremd?«
    »Nein. Das heißt, ich weiß es natürlich nicht, aber … Nein, kann ich mir nicht vorstellen.«
    »Wünschst du dir manchmal, sie würde fremdgehen?«
    »Wie kommst du darauf?«
    »Damit du dich ihr gegenüber nicht so verpflichtet fühlen müsstest.«
    Der Boden unter Toms Füßen zerlief wie Teig.
    »Woher weißt du das?«
    Charlotte winkte ab. Für sie waren das Peanuts, das kleine Beziehungseinmaleins. Sie kaute auf den Resten seines Kuchens, in ihrem Mundwinkel hatte sich ein Streusel eingenistet.
    |75| »Ging mir bei Paul genauso. Hast du Schuldgefühle wegen dieser Gedanken?«
    »Ich glaube schon.«
    »…«
    »Ist das nicht paradox? Ich habe Schuldgefühle, weil ich mir heimlich wünsche, dass meine Freundin mit einem anderen ins Bett geht!«
    Hat er es also doch noch kapiert, dachte Charlotte und wischte sich den Mund ab.
     
    »Tom?«
    Auf dem Weg nach Hause klangen Charlottes Worte in seinem Kopf nach.
    »To-om?«
    ›Bist du schon mal fremdgegangen? – Kann helfen.‹
    Setze einen Tumor, und lasse ihn wachsen …
    »TOM!«
    Paula zerrte an seiner Hand.
    »Entschuldige, Paula. Was ist?«
    »Onkel Tom, manchmal glaube ich, du brauchst eine Brille für deine Ohren. Schau mal da!«
    An ihnen war gerade eine ältere Dame vorbeigegangen, die einen Dalmatiner spazieren führte.
    »Was?«
    Paula zeigte auf den Dalmatiner: »Helen als Hund!«

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    |76| Henriette
    Zwei Tage nach seinem vertanen Abend mit Franziska rief Henriette an, mit der Wladimir sich für den Abend verabredete. Die hatte keinen Freund – und war überfällig. Viel zu lange schon hatten sie einander belauert. Zweimal war er bereits mit ihr ausgegangen. Zuerst essen: das Restaurant geschmackvoll gewählt, nicht überkandidelt, aber auch nicht gewöhnlich. Unterhaltsam war er gewesen, was mit Frauen ja oft nicht einfach war. Witzig und zuhörwillig, sogar charmant! Er hatte es in ihrem Gesicht lesen können

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