Sonnenwende
und an ihrem Lachen erkannt. Beim zweiten Mal Kino: Er hatte ihr die Wahl überlassen, und der Film hatte sich als interessant genug erwiesen, um bei einer anschließenden Caipirinha nicht nur die Stimmung nicht zu drücken, sondern eine erheiternde Nachbetrachtung zu erlauben.
Heute also das Komplettprogramm: Es ließ sich vielversprechend an. Sie lachten, zu viel fast. Beim Essen berührten sich ihre Beine. Wenn Henriette ihm zeigen wollte, wie witzig er war, legte sie kurz nein-wie-komisch-ach-ich-kann-nicht-mehr-hör-auf-mäßig ihre Hand auf seine, und das in einer Art, die eigentlich keine Zweifel zuließ, denn Wladimir war selbstkritisch genug, um zu wissen, dass Witzigkeit nicht gerade seine hervorstechende Eigenschaft war. Vor dem Kino legte sie ihm ohne Vorwarnung die Arme um den Hals und küsste ihn derart hingebungsvoll (in der Öffentlichkeit!), dass er kurz davor war, sie zu fragen, ob sie sich den Film nicht schenken und stattdessen direkt zu ihr fahren sollten. Aber auch dieser Prüfung hielt er stand, in der Gewissheit, |77| dass der Weg jetzt vorgezeichnet war und alles gut werden würde. Als sich im Kino ihre Ellenbogen auf der Armlehne beschnupperten, wurde er geil. Und schwach. So schwach, dass er sie mit zu sich nach Hause nahm. Was er ja sonst nie machte, nie, nie, NIE! Schön, von Elsa mal abgesehen, die letzte Woche erst … Ach, gib es ruhig zu, Wladimir, deine Prinzipien sind nicht gerade der Felsen von Gibraltar.
»Nimmst du mich mit?«, fragte sie und schmiegte sich an ihn.
Was sollte er da schon antworten?
Bei Wladimir angekommen, konnte sie gar nicht schnell genug ins Bett. Bevor er noch seine Schuhe ordentlich hingestellt hatte, sagte sie: »Ich bin hundemüde, wo ist das Schlafzimmer?«
»Zuerst wird geduscht. Ungewaschen kommt mir hier niemand ins Bett.«
Sie seiften sich gegenseitig ein. Wladimir hatte unter ihrer Kleidung einen Ausnahmekörper vermutet – und sich nicht getäuscht. Gut, ihre Beine hätten länger und die Taille etwas schmaler sein können, aber er wollte sie ja nicht malen. Er drückte sich von hinten an sie, um unter ihren Armen hindurch ihre Brüste einzuseifen. Seine beginnende Erektion pochte gegen ihren Hintern.
»Keine Anzüglichkeiten, bitte.«
Er hielt es für einen Scherz.
»Oh, entschuldigen Sie, Fräulein. Ich weiß auch nicht, was heute mit mir ist.«
Schnell sprang sie aus der Dusche und verschwand im Schlafzimmer. In der Vorfreude auf eine Nacht voll unbeschwertem Sex ließ Wladimir ihr zwei Minuten Vorsprung, dann stieg auch er aus der Dusche, ordnete die Handtücher, warf einen prüfenden und tief befriedigten Blick in den Spiegel und schlich ihr nach. Sie lag auf der Seite, als er unter die |78| Bettdecke schlüpfte. Wieder presste er sich von hinten an sie. Seine Einschulungserektion von vorhin ging inzwischen stramm aufs Abitur zu. Henriette nahm seine Hand, die sich an ihrem Po zu schaffen machte, führte sie um ihren Bauch, räkelte sich einmal, wie um die endgültige Position für den Winterschlaf zu finden, und murmelte: »So ist es schön.«
So war es natürlich überhaupt nicht schön. Nach einem Zeitraum, den Wladimir für angemessen hielt – etwa 40 Sekunden –, ging seine Hand erneut das Terrain unterhalb ihrer Gürtellinie erkunden. Doch ihre Reaktion war dieselbe. Man kannte das ja, dachte er. Halb zog er sie, halb sank sie hin, ein bisschen hard to get spielen – Scheingefechte. Albern, aber man machte es halt mit, irgendwie gehörte es ja auch dazu. Nach dem dritten Versuch jedoch dämmerte ihm, dass dieser Fall anders geartet war. Sie ließ ihn nicht gewähren. Meinte sie das etwa ernst? Wladimir wurde nervös und versuchte eine neue Bestürmung, doch das Burgtor war versperrt. Er wurde panisch. Das konnte doch nicht wahr sein! Wann immer er zur Sache kommen wollte, schien sie ihm zunächst Entgegenkommen zu signalisieren, um dann, sobald seine Hände sich die Innenseiten ihrer Oberschenkel hinaufsuchten, die Beine zusammenzuklemmen und sich abzuwenden. Und kein Wort der Erklärung! Er hätte ja verstehen können, wenn sie gesagt hätte: »Du, ich hab’ meine Tage«, oder … also, was anderes zählte eigentlich nicht, aber die fromme Helene zu mimen, das war wirklich albern.
Eine wachsende Unsicherheit nagte an ihm. Stimmte mit ihm etwas nicht? Hatte er vielleicht Mundgeruch, oder war ihr sein Schwanz zu behaart, oder WAS!? Diese Gedanken brachten ihn erst richtig in Rage. Er verachtete das Gefühl der
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