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Sonntag bis Mittwoch

Sonntag bis Mittwoch

Titel: Sonntag bis Mittwoch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Hayes
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ersten kaum gespürt –, sondern weil ich nicht anfangen wollte, mittags zu trinken.
    Nachdem der Kellner verschwunden war, rieb sich Henry über die faltigen Wangen. »Crittenden ist ein ausgezeichneter Arzt. Habe mich erkundigt. Ehe du kamst, erzählte er – und ich glaube ihm das –, daß er die letzten zwei Nächte bei einem Kind gewacht hat, weil er sich nicht darauf verlassen wollte, daß die Nachtschwester die richtige Dosis eines Antibiotikums alle zwei Stunden verabreichen würde. Er hat es auch durchgebracht.«
    »Ich zweifle nicht an seinen fachlichen Qualitäten«, erwiderte ich, überzeugt, daß ich noch gestern, ehe ich durch irgendeinen mysteriösen Prozeß gelernt hatte, Gegensätzlichkeiten und Widersprüche in Einklang zu bringen und zu akzeptieren, wahrscheinlich anderer Ansicht gewesen wäre.
    Henry überspielte seine Verblüffung mit Ärger, wie sein Knurren zeigte. »Harkness sagte, er würde deinen Scheck um halb drei haben, keine Sekunde früher, sondern eventuell später.« Als ich auf die Uhr blickte – ein Uhr zweiunddreißig –, fuhr er fort: »Hast du mit Chenery gesprochen?«
    »Mr. Chenery und ich machten einen hübschen Spaziergang, sogar zwei. Er selber bevorzugt Mord, wird mich aber mit allem, was einem zivilisierten Menschen zugänglich ist, versorgen.«
    Henry betrachtete mich abschätzend. »Wie zum Beispiel LSD'?«
    Meinte er etwa, ich hätte nicht schon vorher erraten, daß er den Sinn meiner Fragerei verstanden hatte? »Es wurde nicht namentlich erwähnt, aber dein Freund Chenery ist auf dem Gebiet von Tod und Vernichtung omnipotent.«
    Der Scotch kam, und Henry hob das Glas sofort an den Mund. »Er ist nicht mein Freund, aber du bist es. Und du solltest dir das, was du gerade ausheckst, gründlich überlegen.« Mir entging nicht, mit welchem Nachdruck er sprach. »Du hast gehört, was Crittenden über mörderische und selbstmörderische Tendenzen gesagt hat. Mir ist völlig egal, was mit diesem perversen Lumpen geschieht, aber ich kenne dich. Wenn es dir gelingt, bei ihm die letzte Schraube zu lockern, oder wenn du ihm etwas einflößt, wonach er sich oder einen anderen umbringt, dann weiß ich, was mit dir passieren wird. Und ich meine jetzt nicht die strafrechtlichen Folgen!«
    »Ich bin mir da nicht mehr so sicher«, erwiderte ich.
    Er nahm einen tiefen Schluck und stellte das Glas klirrend ab. »Aber ich. Was ist damit zu gewinnen? Wie kannst du dich vergewissern, daß es funktioniert? Du kannst ihn nicht in eine Heilanstalt einsperren lassen, wo sie ihn als gemeingefährlichen Kriminellen behalten, ehe er nicht ein Verbrechen begangen hat und vom Gericht für unzurechnungsfähig erklärt worden ist.«
    Was er sagte, stimmte, und eben darin lag die Ironie. »Hank, ich kann es mir einfach nicht leisten, irgendeine Chance zu übergehen.«
    Er beugte sich über den Tisch. »Es ist dir wohl auch einerlei, daß alles, was du von nun an unternimmst, gegen das Gesetz verstößt?«
    Ich überlegte. Es war mir keineswegs gleichgültig. Ebensowenig wie mir der Gedanke, töten zu müssen, gleichgültig war, als ich zur Luftwaffe ging. »Manchmal ist es notwendig, zu zerstören, um etwas zu bewahren«, sagte ich.
    »Ja, das habe ich von dir schon einmal in London gehört.« Es war ihm jedoch noch immer unbegreiflich. »Wie steht es dann mit Crittenden? Wenn du bereit bist, selbst das Gesetz zu brechen?«
    Meine Antwort kam wie aus der Pistole geschossen: »Ich behaupte ja nicht, daß ich die Gesetze nicht respektiere, Hank. Ich tue es selbst dann noch, wenn sie mir keinen Schutz bieten können. Keinesfalls werde ich sie wegen finanzieller Vorteile brechen, und auch sonst wüßte ich kaum ein Motiv, das mich dazu verleiten könnte.«
    Er schaute verstört, eindringlich. »Du erwägst doch ernstlich, einen Mann zu ermorden oder ihn um den Verstand zu bringen!«
    »Ich hoffe, daß beides nicht notwendig sein wird. Aber du hast recht.« Für Lydia und Anne, ja, für sie war ich zu vielem bereit.
    Er richtete sich auf, seufzte tief und sagte: »Bei Gott, du jagst mir jetzt noch mehr Angst ein als heute morgen.«
    »›Wahnsinn‹«, zitierte ich, wobei mir einfiel, daß die Worte von Oliver Wendell Holmes stammten –, ›»Wahnsinn ist oftmals die Logik eines präzise funktionierenden Geistes, der überschätzt wird‹?« Es war eine Frage.
    Henry hob den Blick und lächelte. »Ich hatte mich bei dir und Crittenden geirrt, Adam. Ich wollte dir nur ein paar steuerfreie Dollar

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