Sonntag bis Mittwoch
wurde hart. »Wir haben zusammen studiert, das ist alles, und er dachte, daß jemand, der nichts mit Steuersachen zu tun hat, sich gewissermaßen inoffiziell der Sache annehmen könnte.«
Es ist also kein Geschäft, meine Herren, und auch kein Weg zum Reichwerden, sondern eine heilige Verpflichtung. Die Lösung war von transparenter Einfachheit, und legal war sie nicht. Im Gegenteil, ausgesprochen ungesetzlich. Was Henry ebensogut wußte wie ich. Indessen, ich wartete ab.
»Ich habe das alles bereits mit Dr. Crittenden besprochen, und wir haben uns vorläufig darauf geeinigt, daß du vielleicht zu helfen bereit bist, sofern dir ein Ausweg einfällt – nicht direkt als Anwalt, sondern eher als persönlicher Berater, außerhalb unserer Firma.« Er brach ab, eine Methode, die ich kannte. »Dr. Crittenden ist bereit, zwanzigtausend Dollar dafür zu bezahlen. In bar.«
Nun wurde mir selbstverständlich alles klar. Henry hatte den Fall abgelehnt. Dann, nachdem er heute früh von den hundertzwanzigtausend Dollar erfahren hatte –
Zwanzigtausend in bar. Dann fehlten mir nach Wilbys Verschwinden nur noch hunderttausend. Falls Wilby jemals verschwand. Noch ein paar solche ›Klienten‹, und mein Verlust wäre innerhalb eines Jahres wieder ausgeglichen.
»Doktor«, sagte ich – ohne jeden Anflug von Ärger oder Empörung,»würden Sie als Arzt, der den, wie er von einigen Zynikern genannt wird, hypokritischen Eid geschworen hat, Euthanasie befürworten?« Dr. Crittenden legte die Gabel hin und schob sein Kinn vor. »Gewiß nicht. Aber ich verstehe nicht ganz –«
»Oder unnötige chirurgische Eingriffe verordnen?«
»Natürlich nicht, aber –«
»Oder gegen Teilung des Honorars Patienten an Kollegen überweisen?«
Nun funkelte er mich böse an. »Mr. Wyatt, mein Berufsethos als Doktor der Medizin ist unantastbar.«
»Nun«, fuhr ich fort, »mein Berufsethos als Anwalt war es möglicherweise nicht immer, bis jetzt. Aber von heute an wird es das sein.« Schweigen. Henry schaute mich etwas grimmig und ziemlich erstaunt an. Ein Kellner servierte Kaffee.
Als er sich zurückgezogen hatte, sagte Dr. Crittenden: »Sie wollen mich wohl zum Verbrecher stempeln. Für etwas, was alle Welt tut, auf die eine oder andere Weise. Zufälligerweise bin ich nicht damit einverstanden, wie meine Steuergelder ausgegeben werden. Verrückte sozialistische Maßnahmen, aus politischem Opportunismus. Programme gegen Armut, staatliche Gesundheitsfürsorge!«
»Zufälligerweise«, entgegnete ich mild, »bin ich von der Vietnampolitik keineswegs überzeugt. Aber das gibt mir nicht das moralische Recht, die Gesetze zu brechen, oder?«
Henry seufzte, starrte mich immer noch unverwandt und leicht staunend an. »Es scheint, Dr. Crittenden, als würde Mr. Wyatt es ablehnen, Ihren Fall zu übernehmen. Bedaure –«
»Ich auch«, sagte Dr. Crittenden und erhob sich mit zusammengepreßten Lippen und vibrierenden Nüstern. »Mr. Wyatt, wer sind Sie, um hier zu richten?«
Ich schaute zu ihm auf. »Wer von Euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein …?«
»Ja, so in der Richtung.«
»Doktor« – und ich vernahm meine eigenen Worte sanft, getragen und nachdenklich –, »Doktor, wenn ein Mensch unschuldig sein müßte, um über andere oder sich selbst zu richten, dann gäbe es keine Gerechtigkeit, und das ganze Gebäude von Gesetz, Moral und möglicherweise Zivilisation würde an den Nähten auseinanderbröckeln.«
Henry hatte die buschigen Augenbrauen zusammengekniffen. Und Dr. Crittenden schaute verständnislos drein. Es war, als versuchten beide, etwas nachzuvollziehen, das entweder zu kompliziert oder zu verblüffend einfach war – oder das jeden Sinns entbehrte. Und als die Worte mir in den Ohren widerhallten, wußte ich es selber nicht genau. Da brach Dr. Crittenden das Schweigen: »Mr. Wyatt, Sie haben da einen häßlichen Kratzer auf der Hand. Sie sollten ihn möglichst rasch behandeln lassen. Wenn Sie sich infiziert haben, kann das sehr unangenehm werden. Guten Tag und vielen Dank für das Essen.«
Henry schaute ihm nach. Dann strich er wieder mit der Hand durch die Haare und wandte seine Aufmerksamkeit mir zu. Er winkte einen Kellner herbei.
»Ich brauche noch etwas zu trinken. Nur, damit mein verdammtes Magengeschwür nicht zur Ruhe kommt!« Zum Kellner: »Scotch und Wasser, ohne Eis.« Zu mir: »Auch einen?«
Ich schüttelte den Kopf. Nicht, weil ich vor dem zweiten Angst hatte – schließlich hatte ich den
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