Sonntag bis Mittwoch
beschaffen, weil mir der Gedanke, dich und Lydia pleite zu sehen, nicht behagt. Aber schließlich haben sie uns auf der Universität von Virginia auch ethische Grundsätze beigebracht. Ich war wütend, weil du ihn abgewiesen hast. Jedenfalls glaubte ich, daß mein Zorn daher käme.« Nachdenklich und hochaufgerichtet fuhr er fort: »Aber wahrscheinlich fand ich es unverzeihlich, daß ich es überhaupt in Betracht gezogen hatte. Vielleicht muß man heutzutage etwas verrückt sein, um die Regeln einzuhalten.«
Ich lächelte. »Vielleicht«, antwortete ich, »aber hoffentlich nicht.«
»Ach, halt den Mund!« knurrte er. »Du bist verrückt.« Und wieder betrachtete er mich eingehend und etwas ratlos. »Ich weiß nicht recht, wieso, aber seit heute morgen ist einiges geschehen. Ich weiß nicht mehr, woran ich bin. Du siehst zwanzig Jahre älter aus als vor zwei Tagen, und zehn Jahre jünger als heute früh.«
»Das bringt mich wieder an den Ausgangspunkt zurück.«
Henry lachte. »Ist dir eigentlich klar, daß wir seit einer Ewigkeit nicht mehr so miteinander gesprochen haben, Adam?«
»Wenn überhaupt je«, sagte ich.
»Wenn überhaupt je.« Nun schwang Trauer in seinem Ton. Er ließ seinen Blick ziellos durch das Restaurant schweifen, vermied, mich anzusehen, und sagte nach einer Pause: »Zum Teufel mit dem Ganzen. Ich werde mein Magengeschwür noch ein bißchen reizen.« Er hob einen Arm, erregte die Aufmerksamkeit des Kellners und deutete auf sein leeres Glas. »Adam?«
Nochmals schüttelte ich den Kopf. Ich hatte fast eine Stunde totzuschlagen, bis Harkness' Scheck frühestens eintraf, aber ich wollte nicht trinken.
»Ich habe über Lee Cray nachgedacht«, bemerkte Henry schließlich, die buschigen Brauen hochgezogen. Er wartete.
»Und?«
»Du willst ihn nicht beteiligen, was?«
»Du etwa?«
»Nein. Aber ich habe gerade gelogen. Ich habe nicht über ihn nachgedacht, bis zu diesem Moment. Und ich möchte ihn auch nicht in der Firma haben. Übrigens, wie hast du dir diese tiefe Wunde an der Hand zugezogen?«
»Eine Katze hat mich gekratzt.«
Henry zuckte die Achseln. »Wenn man dumm fragt –« Er nahm einen tiefen Schluck von dem eben servierten Glas. »Eine andere Frage dann – was nun?«
»Nichts, ehe ich das Geld habe. Dann werde ich ein Gemälde um hundertzwanzigtausend Dollar kaufen, es ihm in die Wohnung bringen und für einen Dollar verkaufen.«
Henry runzelte die Stirn, wußte aber nichts zu sagen. Dann pfiff er leise vor sich hin. »Damit ist dann wohl auch die Hure abgefunden. Die Inflation hat nicht einmal vor der Prostitution haltgemacht.« In hilfloser Wut schüttelte er sich. »Es gehört wirklich ein perverser Geist dazu, um einen solchen Raubzug auszuhecken –« Er brach ab und fixierte mich wieder. »Du gehst also in die Wohnung zurück, und was dann? Meinst du, sie schnüren ihr Bündel und hauen ab?«
»Das Mädchen ist nicht da. Und kommt vielleicht auch nicht zurück. Er wartet in der Wohnung, aber wenn sie nicht zurückkehrt, will er bleiben.«
»Großer Gott!« flüsterte Henry entsetzt und trank noch einen Schluck. »Na schön, und wenn es ihm damit ernst ist?«
»Darüber werde ich entscheiden, wenn es soweit ist.«
Henry nickte betroffen. »Du warst noch einmal dort, nicht wahr?« Und als ich nickte: »Und?«
»Ich weiß es nicht genau, aber er dreht, glaube ich, durch.«
»Ach, du glaubst, er dreht durch!« wiederholte er ironisch und fast verächtlich. »Und wann schnappt er über?«
»Das läßt sich nicht voraussagen.«
Er rutschte ungeduldig auf seinem Stuhl und konnte seine Empörung nicht länger verbergen. »Wie kannst du so ruhig dasitzen, als wäre –« Doch er brach ab. »Adam … wir haben die Möglichkeit erwähnt, daß du ihn … tötest. Was aber, wenn er dich umbringt?«
»Dieser Gedanke ist mir noch nicht gekommen«, erwiderte ich und merkte mit leisem Erstaunen, daß ich die Wahrheit sprach.
»Er hätte dir aber kommen sollen!«
»Ich werde mich zu gegebener Zeit damit befassen.«
Er haute mit der Faust auf den Tisch. »Nein, das wirst du nicht! Du wirst dich jetzt damit befassen!«
»Hank, ich muß mich eben sehr bemühen, daß es nicht passiert.« Er lehnte sich so weit über den Tisch, daß ich die kleinen Lachfältchen in seinen Augenwinkeln erkennen konnte. »Hör mal! Mich brauchst du nicht zu überzeugen, daß du Mumm hast. Aber du übersiehst das Wichtigste! Es ist schön und gut, nicht an sich selbst zu denken – und das hast
Weitere Kostenlose Bücher