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Sonntag bis Mittwoch

Sonntag bis Mittwoch

Titel: Sonntag bis Mittwoch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Hayes
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sie's mit der ganzen Stadt getrieben!« Er steht so dicht vor mir, daß sein striemenbedecktes, verzerrtes Gesicht vor meinen Augen rot verschwimmt. »Lügner! Du Lügner!« Seine Spucke sprüht mir ins Gesicht, aber ich weiche nicht zurück. »Heuchler!«
    Dann lehnt er sich plötzlich über das Geländer, zielt mit dem Revolver auf die Straße, das Auge am Lauf, als sei es ein Gewehr.
    »Wen willste haben, Paps?« Schrille Erregung im Ton. »Die alte Frau mit dem Hund? Den Geldsack, der aus dem Taxi steigt? Oder das blonde Gift neben ihm? Brauchst's nur zu sagen! Kannst diesmal Gott spielen!«
    Hat Ihr Klient die Morgenblätter gelesen? Ein Bursche in Texas. Erinnerte mich an Ihren Kerl. Man kann nie voraussehen, wann es losgeht. »Alle sind böse!« tobt er. »Alle schuldig! Gleichgültig, wen es erwischt und wen nicht!«
    »Wie kann jemand böse sein, wenn es Gut und Böse nicht gibt?« Ich höre die Härte in meiner Frage, sehe, wie er den Kopf von der Waffe hebt. Welche Aussichten habe ich mit Vernunftargumenten gegen einen Geist, der bereits jenseits aller Vernunft ist? »Wie kann ein Mensch schuldig sein, wenn es keine Unschuld gibt?« Was außer der Logik bietet sich mir?
    Wilby lacht auf und zielt wieder. »Mich kannste nicht ärgern, Mann.« Aber ich vermeine, einen hysterisch-verzweifelten Unterton herauszuhören und frage mich, ob ich ihn nicht zu dem, was er jetzt plant, getrieben habe. »Wie viele hat der Kerl in Texas gestern erwischt? Siebzehn, stand in der Zeitung. Ich hab' nur fünf Kugeln. Fünf Treffer. Willste wetten? Willste wetten, du Schwein?«
    »Ich wette«, erwidere ich gelassen, »daß Sie nicht mehr als zwei kriegen.«
    Er reißt den Kopf herum und blinzelt zu mir her. Ich unterdrücke mühsam den Impuls, einen Faustschlag auf seine Hand mit dem Revolver zu schmettern. Würde er ihn loslassen? Würde die Waffe auf die Straße fallen? Und was dann?
    »Dann trifft dich die zweite, Paps –«
    »Das ist mir klar.«
    Verblüffung in seinen Zügen. »Was geht's dich an? Das sind doch Fremde –«
    Ich antworte nicht. Ich genieße diesen jungenhaft fassungslosen Ton. Ich warte ab.
    »Was interessiert's dich?«
    Ich zögere. Die Antwort ist wichtig. Will er es wirklich wissen? Kann ich hoffen, ihn noch weiter zu verwirren? »Wir sind alle im gleichen Boot. Wir besitzen alle nur eins – Zeit.«
    »Und … und nachher kommt nichts?«
    »Nichts.«
    Er richtet sich auf. »Was für einen Unterschied macht dann irgend etwas?«
    »Hören Sie mit dem Jammern auf!« Ich brülle ihn ärgerlich an. »Alles macht einen Unterschied. Wenn man nichts anderes hat, dann ist das wenige noch wichtiger.«
    Er tritt zurück, den Revolver nach unten gerichtet. »Alles? Biste … verrückt, oder –« Er blinzelt. »Du mußt übergeschnappt sein!« Doch Zweifel und Unsicherheit sind unverkennbar. »Das glaubste doch nicht wirklich?«
    »Wenn ich es nicht glaubte, dann wären Sie zwei Minuten nach meiner Heimkehr ein toter Mann gewesen.«
    Ich wende mich ab und gehe in die Wohnung, nun meinerseits unsicher. Was, wenn ich mit verfehlten Methoden operierte? Was, wenn ihn die von mir angestiftete Verwirrung zu weiteren Gewalttaten antrieb – da doch Gewalttätigkeit häufig die Reaktion auf Verwirrung ist?
    Ich trete neben die Bar und stecke meine geschwollene Hand in die Tasche. Die Kapsel und die Zuckerwürfel. LSD kann einen Menschen unheilbar wahnsinnig machen – Was aber, wenn dieser Mensch einen geladenen Revolver in der Hand hält und eindeutig mörderische Neigungen hat, Dr. Crittenden?
    Wilby folgt mir. Schnell. Er eilt die Treppe hinauf. »Jenny, wir müssen uns trennen. Jenny, dieser Kerl ist völlig hinüber –« Doch auf der obersten Stufe bleibt er stehen, als wäre ihm eben erst eingefallen, daß Jenny aus unbegreiflichen Gründen nicht da ist.
    Dann dreht er sich zu mir um und zielt auf mich. »Gott, wie du mich haßt!« Es ist ein verlorenes und wildes Wehklagen. »Nur, Mann, noch weißte nich, was das ist. Das begreifste nich. Das heißt nämlich, daß du mich liebst! Weil Haß Liebe ist –« Er holt Atem, und die Worte überschlagen sich. »Jenny haste weggeschickt, weilde mich allein haben willst, weil Haß Liebe is, und mich willste auf die Straße jagen, nackt auf die Straße, wo sie mich prügeln, ich weiß, wer Wind sät, wird –« Dann kommt er die Stufen herab. »Du. Du meinst bloß, du wärst wer, du bist nur, was ich von dir halte, alles, was ich für dich bin, und was du

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