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Sonntag bis Mittwoch

Sonntag bis Mittwoch

Titel: Sonntag bis Mittwoch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Hayes
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Gleichwohl aber seinem Sinn oder Wissen um Liebe, oder wie sie sein sollte, entsprungen; seinem Bedürfnis, sie auf die Probe zu stellen und wenn nur irgendmöglich zuschanden zu machen.
    »Wer schaut zu?« Ein freudig erregtes Flüstern. »Du kannst's dir aussuchen. Sag mir's –«
    In Gedanken zucke ich vor dem Bild, das seine Wahl mir vorgaukelt, zurück. Was kann ich sagen, um ihn noch mehr zu verwirren, oder um ihn zu überzeugen? Die Wahrheit? »Wenn es dazu kommt«, antworte ich langsam, »dann schaue ich zu.«
    Er strahlt; Triumph, Genugtuung. »Du willst zuschauen? Warum?« Weiß er nicht, daß ich – vor diese hoffnungslose Wahl gestellt – Lydia nicht der Qual, mich sterben zu sehen, aussetzen könnte, und dann noch dem, was Wilby hinterher mit ihr vorhatte?
    »Warum, Mann?«
    »Rechnen Sie sich's aus!«
    »Ich weiß? Weilde meinst, dann hätteste noch 'ne Chance. Du, höchstpersönlich. Du!«
    »Klar. Das erste Gesetz des Dschungels: überleben.«
    Das ist riskant, ich weiß es. Aber was ist jetzt nicht riskant?
    Er stößt ein knurrendes Gelächter aus, doch dabei bewölkt sich sein Gesicht. Zweifel verdunkelt den Blick, Ungewißheit. »Liebe!« Er spuckt das Wort aus.
    »Was hat Liebe mit dem Dschungel zu tun?«
    Mit verzerrtem Gesicht wendet er sich ab, murmelt: »Lügen. Du … lügst sogar Gott noch an.«
    Er hat mich durchschaut – wie beabsichtigt.
    »Nur« – während er seinen ziellosen Rundgang fortsetzt, muß ich mich anstrengen, die Worte zu verstehen –, »nur, du kannst dir's nicht aussuchen … ich … treffe die Wahl, Qual … lass' sie zuschauen … was du nicht willst … du hast keine Wahl … ich –« Er bleibt am offenen Kamin stehen und blickt zu dem Porträt hoch. »Ich kümmer' mich um dich, Lydia-Pytia-Weib-Leib … reiß' dir die Kleider vom Leib … nackt … erschieß' dich nicht … häng' dich von der Terrasse runter … am Knöchel, dann kannste schreien, brüllen … zu spät … lass' dich los, oder nicht –« Und mit dem Anflug seines alten Lächelns sieht er mich an. »Glaubste, sie wird verrückt, Mann?« Doch sein Blick ist ebenso vage wie seine Aussprache: Nimmt er mich überhaupt wahr? »Na, Paps?« Der Hohn klingt leer – die Drohung dagegen nicht, wie ich sehr wohl weiß.
    »Ich werde mir einen Drink genehmigen.« Meine Stimme klingt bemerkenswert ruhig. Ich hebe eines der Gläser hoch, in der hohlen Hand verborgen, damit die Klarheit des Inhalts im Gegensatz zu der getrübten Flüssigkeit im anderen Glas nicht auffällt.
    »Drink?« Er strolcht auf die Bar zu. »Drink?«
    Ich nippe an meinem Glas, ohne etwas zu schmecken. »Was soll ich sonst tun? Es wird eine lange Nachtwache.« Ich schiebe ihm das andere Glas auf der schmalen Fläche entgegen. »Ich habe ihn nötig, wenn ich mir Ihre Reden anhören soll.«
    Er blinzelt mich an, ignoriert sein Glas. »Kühl. Ruhig … kühl –« Doch in seinem Ton, in seinen glasigen Augen liegt Mißtrauen, und ich entsinne mich, daß ihn Distanziertheit meinerseits schon immer geärgert und gestört hatte. »Ich hab' dich beim Wickel, kapito?«
    »Kapito. Kapito.«
    Ich stelle mein Glas mit einem Klicken ab.
    Das Geräusch scheint ihn auf einen Gedanken zu bringen. Er tritt zurück und nickt, als verdanke er mir den Vorschlag. Dann hebt er den Revolver und klappt mit seiner geschwollenen, blauunterlaufenen, rotverschmierten Hand die Trommel auf, als spüre er die Schmerzen nicht mehr. Er schüttelt die Patronen in die Hand und ist so versunken in diese Beschäftigung, daß ich wieder versucht bin, ihn anzufallen. Er steckt eine Patrone in die Trommel und dreht sie; mit seitlich geneigtem Kopf lauscht er auf das Klicken. Als die Trommel stillsteht, schließt er den Revolver und geht mit kräftigen, sicheren Schritten zur Terrassentür. Er klemmt die Waffe unter die rechte Achsel und wirft die verbliebenen Patronen über die Terrassenmauer.
    Dann wendet er sich mir quer durch den Raum zu. »Spielste mit, Mann? Biste kühl genug?«
    Da fiel es mir wieder ein. Vergangene Nacht. Wie wär's mit 'nem Spielchen Russisches Roulette, Paps? Chancen stehen eins zu sechs. Ich mach' sogar den Anfang.
    Er steht hochaufgerichtet da, und seine Augen glitzern. »Geb' dir 'ne faire Chance, Mann, kapito? Kugel is nich für die Frau Gemahlin, wenn –«
    Er hebt den Revolver und legt die Mündung an die Schläfe. Seine Augen sind weit aufgerissen.
    Eine Kugel. Nicht für Lydia, wenn sie Wilby tötet. Oder

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