Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sonntag bis Mittwoch

Sonntag bis Mittwoch

Titel: Sonntag bis Mittwoch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Hayes
Vom Netzwerk:
»Ich bringe Sie zu Jenny.«
    Nur von hier weg, auf die Straße – was dann?
    Aber er hört nicht, erkennt mich nicht.
    Gleichzeitig mit meinem Unbehagen flammt ein Hoffnungsschimmer auf, ungezügelt und blendend, während ich noch überlege, ob ich ihn berühren, vielleicht schütteln soll, um ihn aus dieser Apathie zu reißen, um Bewegung in ihn zu bringen, sogar noch während mich eine überwältigende Traurigkeit packt ob all der Vergeudung und Verluste, der Versuche, die zu nichts geführt haben.
    Ich lege eine Hand – die Linke auf seine Schulter. Bei der Berührung zuckt er, am ganzen Leib verkrampft, zurück und reißt die Augen auf. Dann bewegt er sich wieder, so schnell, so unerwartet und kraftvoll, daß seine Schulter gegen meine Schienbeine schmettert, ehe ich noch zurücktreten oder den Abzug durchziehen kann.
    Schließlich reagiert mein gefühlloser, geschwollener Finger, doch der Reflex ist nicht schnell genug; während der Schuß knallt, nur wenig gedämpft durch meine Tasche, und die Explosion noch im Raum steht, weiß ich, zurücktaumelnd, daß ich nicht getroffen habe.
    Im Fallen wird mir bewußt, daß ich wieder auf einen Trick hereingefallen bin, ich hätte es besser wissen müssen, und dann schlage ich mit dem Kopf auf, und er liegt irgendwie auf mir, nagelt mich mit seinem Gewicht fest. Dicht über mir sein blutüberströmtes, häßliches Gesicht, seine Augen ebenso grausam und mörderisch wie Cheetahs. Trotzdem fühle ich mich erleichtert, sogar noch, als er mit der Faust nach meinem Gesicht zielt. Ich wende den Kopf beiseite und hole mit der Linken aus. Mein Schlag trifft ihn am Kinn, während seine Faust neben meinem Ohr auf den Boden kracht, und als der Druck seines Gewichts nachläßt, rolle ich mich unter ihm weg, springe auf und stehe mit gezogenem Revolver über ihm. Als ich mit unbeholfenem Finger abdrücke, rammt er mir wieder die Schulter an die Beine, diesmal kräftiger und höher, packt meine Rechte und gräbt die Finger in das wunde Fleisch, daß mir vor Schmerz schwarz vor den Augen wird. Ich stähle mich gegen einen Schuß, der nicht fällt, und dann liege ich wieder am Boden, höre das dumpfe Aufpoltern der Waffe, während ich gegen die Bewußtlosigkeit ankämpfe.
    Dann steht Wilby über mir, weicht aber etwas geduckt zurück, den Revolver in seiner Hand.
    Er weint. Vor Schmerzen? Er weint lautlos, ohne Schluchzen, und die Tränen strömen über die blutrote Landkarte von Kratzern und Wunden. In seinen Blick ist ein blutunterlaufenes Glitzern getreten: Haß, vermischt mit einer fürchterlichen, leidenschaftlichen Traurigkeit, als sei er betrogen worden. Sein Kummer ist so unverhüllt und alles überschattend, daß der Gedanke, ob er auf mich schießen wird, von einem anderen verdrängt wird: Er ist nicht übergeschnappt, es war nur ein Trick, er hat nicht den Verstand verloren, und meine einzige Hoffnung ist, daß jemand den Schuß gehört hat.
    Unsere keuchenden Atemstöße sind die einzigen Geräusche im Zimmer, das nach verbranntem Pulver und versengtem Stoff riecht.
    Schließlich flüstert er: »Du wolltest mich umbringen, was?« Er schwankt vor mir, vornüber gebeugt, barfuß, Haar im Gesicht, Empörung und Ungläubigkeit in der Stimme. »Du Lumpenhund, du wolltest mich umbringen!« Er fliegt am ganzen Körper, der Revolver zittert in seiner Linken, während die Rechte – die er mir ins Gesicht schlagen wollte und statt dessen in den Boden rammte – schlapp herabhängt. Hat Geoffrey den Schuß vernommen? Der Knall dröhnt mir noch immer in den Ohren. Hat ihn jemand gehört? In Donalds Wohnung ist niemand, aber sicher doch irgendwer über mir, oder nebenan?
    Obgleich ich mich nicht über die Hoffnungslosigkeit meines Unterfangens hinwegtäusche – Pinke bedeutet mir gar nichts. Grünes Klopapier! –, drehe ich ihm den Rücken zu und gehe zur Bar, wo das Gemälde mit dem Gesicht nach unten inmitten des Durcheinanders liegt. Mit der Linken – meine rechte Hand ist gleich seiner zu nichts mehr zu gebrauchen – packe ich es am Rahmen und lehne es ihm zugekehrt an ein Bein des Cocktailtisches. Die schwere Glasplatte des Tisches hat einen Sprung, und der Rahmen des Bildes ist stellenweise gesplittert, doch das Gemälde selbst ist noch unbeschädigt.
    Ich fixiere ihn. »Nehmen Sie's, und scheren Sie sich weg.« Doch selbst mir klingen meine Worte hohl und sinnlos.
    Wilbys Gesicht zeigt einen Anflug von Hohn. Er würdigt das Bild keines Blicks. »Bist du jetzt

Weitere Kostenlose Bücher