Sonntag bis Mittwoch
starrt ihm schweigend nach, als Wilby auf die Straße tritt, und wendet sich dann mir zu.
»Geoffrey, rufen Sie die Polizei. Man soll zur Ecke kommen.« Ich nicke in Wilbys Richtung, während ich durch die Tür gehe. »Mr. Abbotts Freund braucht einen Arzt.«
»Ja, Mr. Wyatt. Verlassen Sie sich ganz auf mich.«
Und während ich Wilby in einiger Entfernung folge, frage ich mich, ob Geoffrey an ihm einige der Symptome erkannt hat, unter denen auch seine Frau leidet.
Nun bemerke ich neugierige Blicke, die Wilby gelten, Gekicher, amüsiertes Gemurmel. Und in mir erwacht Ärger und ein Beschützerinstinkt. Was, zum Teufel, wußten die Leute schon? Was kümmerte es sie? Sie erblicken lediglich einen jungen Mann mit blut- und tränenüberströmtem Gesicht, zerkratzten Armen, nackten Füßen, der in einer tranceartig gefaßten Haltung mit starrem Blick dahinschreitet, heiter und wohlwollend und überirdisch. Sie hatten ja keine Ahnung. Und meine Gedanken wandern weit in die Vergangenheit, zu jener Straße in Fort Perry: als ich meinen Vater heimführte, wütend auf die neugierigen, selbstgerechten, verächtlichen Blicke, etwas zornig auch auf meinen Vater.
Vergib mir, Vater, verzeih!
Als ich um die Ecke biege, nähert sich Wilby einem Mann, der zusammengekauert an einem Schaufenster lehnt: verschmutzt, unrasiert, offensichtlich betrunken. Ich höre von ferne, wie Wilby ihn anspricht, und als ich stehenbleibe, blinzelt der Betrunkene Wilby an und äußert unverständliche und unzusammenhängende Laute.
Wilby greift mit der verletzten rechten Hand in die Tasche, zieht ein Bündel Banknoten heraus, hebt es in Kopfhöhe und läßt es dann auf den Bürgersteig flattern. »Gib dem Kaiser, was des – wenn er die ganze Welt gewänne und nähme doch Schaden an seiner Seele –«
Sofort sammelt sich eine kleine Menschenmenge um ihn. Der Betrunkene grabscht auf allen vieren nach den Geldscheinen. Eine Frau protestiert: »Halt, du Gammler, der gehört mir!« Und ein Mann in Hemdsärmeln kniet neben dem Betrunkenen und rafft so viele Scheine zusammen, wie er kann. Eine andere Stimme gellt: »Na, warum nicht, das sage ich immer, stell dich nicht so an, warum denn nicht?« Und im Mittelpunkt des Durcheinanders steht Wilby, unerschütterlich, demütig und distanziert, mit erhobenem Gesicht.
Er spricht wie zu einer großen Gemeinde, aber nur wenige Worte sind über dem Stimmengewirr verständlich. »… sage ich dir … durch das Schwert lebt … in ewiger Verdammnis umkommen … die dich hassen –«
Während ich ratlos am Rande der stetig wachsenden Menschenansammlung stehe.
Ein Mann brüllt: »Lauter und komischer!«
»… segne, die ihn verfluchen, besuchen, Kuchen –«
Eine Frau legt die Hände trichterförmig an den Mund und fordert ihn auf: »Musik! Sag's mit Musik!«
Aber Wilby hebt nicht die Stimme. »… wenn du nicht Buße tust, Muße … mein Vater … erlösen –«
Eine tiefe männliche Stimme knurrt verächtlich: »Ach, das ist ja nur Reklame –«
»Irgendein Fanatiker –«
»… verachten und verfolgen … Opferlamm –«
»Schau doch, seine Füße bluten –«
»'n Verrückter, sonst nichts –«
»Jemand muß ihm die Hand eingeklemmt haben –«
»… Ihr werdet mich verleugnen … und wiederum nach vierzig Tagen und Nächten in der Wüste werde ich Euch erscheinen –«
»Komm doch weiter, wir sind spät dran –«
»Warte doch. Was sagt er? Das ist interessant –«
Es ist mir unmöglich, das weiter anzusehen und anzuhören, und so bahne ich mir einen Weg durch die Menge zu Wilby. Ich bin fast bei ihm, als ich hinter mir das Heulen einer Sirene höre, das Blaulicht flackern sehe und beobachte, wie sich der Betrunkene davonstiehlt. Ich drehe mich erleichert und doch von Bestürzung und Schrecken ergriffen um.
Ein Streifenwagen fährt an den Bürgersteig. Ein Polizist in Uniform, breitschultrig und verschwitzt, steigt aus und befiehlt lautstark: »Weitergehen. Schon gut. Nicht stehenbleiben!« Er klingt müde und überdrüssig.
»Weiter, los!«
Der Fahrer öffnet seine Tür und kommt heraus, während ich zum Kühler des Wagens gehe und ihm in den Weg trete.
»Wachtmeister –«
Der Beamte, jung, sehr groß, mit einem kantigen Gesicht und geduldigen, desinteressierten Augen zögert und wirft über meine Schulter einen Blick auf Wilby und den Aufruhr. »Lassen Sie mich durch, Mister –«
»Hören Sie, der Junge ist krank. Er braucht ärztliche Hilfe.«
Ich höre
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