Sonntag bis Mittwoch
Zigarette so genossen!
Als sich Mr. Welch Sahne in den Kaffee goß, klapperte das Kännchen gegen den Tassenrand. »Man kann es auch von einem anderen Standpunkt aus betrachten, nicht wahr? Vielleicht hatte er getrunken?«
»Ja«, versicherte ich und atmete Rauch aus. »Wir wollen hoffen, daß es zu beweisen ist.«
»Ja, ja, es ist sehr einfach, jemandem Vorwürfe zu machen. Aber woher will man wissen, wie man sich verhalten wird, solange man nicht in der Klemme steckt?«
Meine selbstgerechte Verachtung verflüchtigte sich. »Das stimmt«, sagte ich zerknirscht, plötzlich von einem überwältigenden Mitgefühl ergriffen. Dann trat ich hinter ihn und legte ihm eine Hand auf die schmale, bebende Schulter. »Das stimmt, niemand weiß es im voraus. Und ich werde mich sehr bemühen, diesen Punkt hervorzuheben.«
Ich hob die Tasse und trank den dünnen Kaffee, ohne ihn richtig zu schmecken. Ich spürte, wie mir der Schweiß ausbrach.
»Ich will mich genau an die Wahrheit halten«, versprach Mr. Welch. »Ich will es wenigstens versuchen. Nur, manchmal ist das nicht ganz einfach.«
»Ja«, stimmte ich voller Überzeugung zu. »Oft sogar.«
»Meine Frau macht sich solche Sorgen. Ich weiß nicht, wie es weitergehen soll. Sie ist mir sogar böse, weil ich ihr nichts gesagt habe. Als hätte ich sie irgendwie hintergangen! Und manchmal, wenn sie mich so anschaut, glaube ich fast, sie … kann mich nicht verstehen. Oder sie verabscheut mich vielleicht sogar deswegen.« Er stellte die Tasse ab. »Sonst noch etwas, Mr. Wyatt?«
»Im Augenblick nicht. Machen Sie sich nicht zu viele Kopfschmerzen. Ich glaube, wir können ganz gute Argumente vorbringen. Wir stellen jetzt noch ein paar Recherchen an und sprechen uns dann später noch einmal ausführlich.«
Er erhob sich. »Vielen Dank, Mr. Wyatt. Was für Recherchen wollen Sie anstellen? Betreffen sie die Gegenpartei?«
»Ja«, log ich und sagte dann, »tut mir leid.«
Er nickte, blinzelte und ging.
Ich ließ mich in meinen Sessel sinken. Dann eben die Wirklichkeit. Diskutieren wir über die Wirklichkeit. Ist die Wirklichkeit wirklich? Existiert sie tatsächlich? Oder bilden wir sie uns ein. – Die Zigarette verbrannte mir die Finger, und ich ließ sie auf den Boden fallen.
»Kommst du mit zum Essen?«
Es war Henry. Er war wie immer unangemeldet eingetreten. Hochaufgerichtet stand er im Türrahmen, während ich den Zigarettenstummel vom Boden aufhob.
»Mein Gott, du siehst ja wie das Leiden Christi aus. Kannst wohl nicht genug kriegen, was, Adam?«
Ich quälte mir ein Lächeln ab. Sofort fühlte ich mich wohler. Es lag an Henrys Art: nicht eigentlich Charme, aber eine verborgene Herzlichkeit. Seine große, breitschultrige Gestalt, sein faltiges Raubvogelgesicht mit den buschigen Brauen unter dem fast haarlosen Schädel wirkten nicht nur gutmütig, sondern auch kompetent. Ich verstand nun zum ersten Mal, warum seine Klienten so grenzenloses Vertrauen in ihn setzten. Vielleicht hatte mich dies bewogen, nach dem Krieg in New York zu bleiben und mich mit ihm zusammenzutun und nicht nach Nebraska zurückzukehren, wie es mir während der Kriegsjahre vorgeschwebt hatte. Aber nein, hatte Lydia gesagt. Mir zuliebe brauchst du nicht im Osten zu bleiben. Wenn sich Fort Perry in Nebraska an mich gewöhnen kann, werde ich mich auch an Fort Perry gewöhnen können. Hauptsache, du bist da. Im gleichen Moment wußte ich, daß Henry mir helfen konnte, irgendwie. Es mußte einen Ausweg geben, vielleicht sogar einen, der keine dreitausend Dollar kostete. Wenn es einen gab, würde Henry ihn finden.
»Nun, was ist mit dem Essen?«
»Tut mir leid, Henry, ich habe eine Verabredung.« Schon wieder eine Lüge – ohne jeden Grund. Noch dazu, wo ich ihn um seinen Rat bitten wollte.
»Es steht aber nichts auf Phoebes Terminkalender.« Er grinste und schien sich über meine Verlegenheit zu amüsieren.
»Etwas ganz Privates«, sagte ich und fragte mich: Warum zögern, warum nicht offen sprechen, und zwar jetzt gleich?
»So –« Henry nickte. »Na, dann –« Er drehte sich schwungvoll weg und breitete die Arme aus.
»Es liegt mir fern –«
Plötzlich packte mich die Wut, grundlos, aber unwiderstehlich. »Keine voreiligen Schlüsse«, begehrte ich auf. »Es sind nicht alle wie du.« Er hielt inne, seine Arme sanken herab, und er starrte mich an. »Hoppla«, sagte er, »nur, weil ich ein alter, geschiedener Ehebrecher bin –«
Ich stand auf, und er verstummte. Es war schon nach
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