Sonntag bis Mittwoch
und holte mir ein sauberes Zahnputzglas. Dann öffnete ich die Flasche. Er ist k.o. Traurig, Jenny, wirklich traurig. Heute wirste wohl Pech haben. Wie recht du hast, Wilby, ich werde dir den Beweis nicht schuldig bleiben. Und das, wo du den ganzen Tag gelauert hast. Sehr bedauerlich. Aber es ist ja alles nicht mehr, was es war.
Ich goß das Glas halb voll Schnaps und füllte es dann mit Wasser. Nippte. Auch eine Möglichkeit, die Sinne zu betäuben. Flucht. Wie Jenny und Sex. Mehr bedeutete es nicht für sie. Wie ein Tier in freier Natur. Körperlicher Akt, und doch nie befriedigt, nie erfüllt, nichts reichte aus.
Ich saß auf dem Rand der Badewanne. Ich tue doch alles für dich. Alles! Nur für dich. Das Flehen in Wilbys Stimme, fast, als wäre es nicht seine: nackte Not, Verletztsein, Verblüffung. Was bedeutete ihm Jenny eigentlich? Das war nun unwichtig. Was hatte Wilby gemeint? Daß eine Abtreibung stattfinden würde? Morgen, drei Uhr.
Was sollte sie daran hindern, danach wieder herzukommen? Oder Jennys Tod verhindern? Eine ungesetzliche Operation, ausgeführt von einem skrupellosen Kurpfuscher in einem finsteren Loch.
Kein Ausweg. Aber ich gab noch lange nicht auf. Ich erhob mich. Der Whisky brannte in mir, jeder Muskel und jede Fiber schmerzten. Aber ich konnte mir nicht hier oben allein einen Vollrausch antrinken. Nicht, ehe ich nicht alle Möglichkeiten bedacht hatte.
Leicht schwankend stand ich da. Wenn ich seinen Namen wüßte, wenn er wegen irgendeines Vergehens gesucht würde oder wenn er tatsächlich aus einer Anstalt entsprungen war –
Was dann? Na, dann könnte ich ihn vielleicht auf der Straße verhaften lassen. Ephron würde wohl mitspielen.
Name. Kennkarte. Führerschein. Einberufung – falls er sie nicht verbrannt hat. Ich mußte Jenny hereinlegen, sie sollte sich verplappern. Ging da unten die Türglocke?
Richtig, es klingelte wieder. Wie angewurzelt blieb ich stehen, und ein schreckliches Gefühl des Geschlagenseins überfiel mich. Unweigerlich würde früher oder später jemand hereinplatzen –
Wie ein Schlafwandler schlich ich auf die Galerie.
Wer? Lydia? Mein Herzschlag setzte aus.
Wilby lag rücklings auf dem Teppich im Wohnzimmer.
Wenn es Lydia war, dann würde ich ihn umbringen; wenn nicht heute, dann morgen, irgendwann bestimmt. Töten –
Die Klingel verstummte nicht.
»Kriegen wohl Besuch, Casanova.«
Lydia würde nicht schellen. Außerdem hätte sie telegraphiert oder zumindest vom Flughafen aus angerufen. Als ich die Stufen hinabstieg, fing ich wieder zu atmen an, wenn auch flach. Das Wasser plätscherte noch hinter der Tür zum Gästezimmer. Wenn nur Jenny nichts hörte. »Mach auf, Paps, vielleicht ist's 'n Hausierer. Oder deine Freunde von der Polente haben nicht alles richtig mitgekriegt.«
Die Lässigkeit, mit der er sprach, fiel mir auf: Wahrscheinlich genoß er seine Angst und Spannung ebenso wie meine. Allmählich kannte ich den Lumpen.
Er schlurfte in die Bibliothek. »Wer's auch ist, laß ihn 'rein. Kein Gequatsche im Treppenhaus.«
Ich zögerte. Wäre es nicht klüger, das Läuten einfach zu ignorieren? Nein, ich mußte wissen, wer da war.
Ich stelzte in die Diele. Angenommen, es war Donald, der ja wußte, daß ich zu Hause war? Oder vielleicht hatte Ephron doch einen Streifenwagen geschickt?
Als ich die Tür öffnete, ging jemand zum Aufzug zurück, und ich wollte die Tür so schnell wie möglich wieder zumachen – aber er drehte sich um. Klein, untersetzt, mit Bauch und einem häßlichen, unterwürfigen Gesicht: Ich hatte ihn noch nie gesehen.
Er zog seinen Strohhut und kam auf mich zu. »Mr. Wyatt?« Seine Stimme klang rauh. Er zupfte an seiner Krawatte. »Mr. Adam Wyatt?«
»Ja«, und in Befolgung von Wilbys Befehl, »kommen Sie herein.«
Mit hochgezogenen Brauen kam er näher. »… muß Sie sprechen, Mr. Wyatt. Sehr wichtig … Entschuldigung –«
Er schaute sich im Wohnzimmer um: Ja, er hätte ohne weiteres ein Detektiv sein können. Sein Blick fiel auf das Glas in meiner Hand – ich hatte es vergessen.
»Mein Name ist Corbin, Mr. Wyatt. Leonard Corbin.« Dann wartete er ab.
Corbin? Corbin?
»Der Mann von Mrs. Corbin«, erklärte er.
»Ich fürchte, ich weiß nicht recht –«
»Sie haben unseren Fall übernommen, das heißt, für die Versicherungsgesellschaft.«
»Normalerweise, Mr. Corbin«, sagte ich langsam, um Zeit zu gewinnen und meine Gedanken zu ordnen, »empfange ich keine Klienten in meiner Wohnung.« Ich
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