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Sonntag bis Mittwoch

Sonntag bis Mittwoch

Titel: Sonntag bis Mittwoch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Hayes
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so furchterregend mit ihren Zähnen und Klauen lebte, als läge sie wirklich auf der Lauer. Von Unwirklichkeit und Absurdität überwältigt, machte ich die Tür auf.
    Das dunkle Gesicht, nicht braun, sondern schwarz, mütterlich, gütig und streng, stolz und würdevoll hocherhoben, blickte mir aus großen Augen entgegen. Ihre Blicke wanderten über mein Gesicht – registrierten die Kratzer? – und hefteten sich dann besorgt auf meine ausdruckslosen Augen. »Wolln Sie arbeiten gehn, in Ihrem Zustand?«
    »Ich habe das Schlimmste bereits überstanden«, antwortete ich, wohl wissend, daß es mir wahrscheinlich noch bevorstand.
    Dann schaute sie an mir vorbei in das Wohnzimmer. »O je, ihr Männer. Wenn ma euch mal allein läßt. Da sieht ma wieder.« Weibliche Belustigung und Nachsicht lag in ihrem Schelten. »Hab' ma schon um Sie Sorg'n gemacht, wie gut, daß ich gekomm' bin.«
    Sie trat kopfschüttelnd auf mich zu, ich gab ihr den Weg frei, weil mir gar nichts anderes übrigblieb, und sie setzte den Hut ab, immer noch das Durcheinander betrachtend, als sei es ihr lieb, sich in die Arbeit zu stürzen.
    Gestern am Telephon hatte sie stolz erklärt, kein Geld für nicht geleistete Arbeit annehmen zu wollen. Heute jedoch war sie erschienen. Warum? Sie hatte es sich anders überlegt. Ihr gutes Recht. Für Stolz kann man sich nichts kaufen.
    Ich holte meine Brieftasche heraus und zählte Geldscheine ab. »Was schulde ich Ihnen für gestern, Minnie?«
    »Gestern?« Sie war bereits die Stufe hinuntergestiegen und drehte sich jetzt verblüfft um – doch mir konnte sie nichts vormachen. Aber schlau, es wenigstens zu versuchen. »Mr. Wyatt, hab' Ihnen doch gesagt –«
    »Das weiß ich. Wieviel?«
    »Ich räum' nur auf –«
    »Wieviel, Minnie?«
    Sie riß die Augen noch weiter auf, mit seitlich geneigtem Kopf, und runzelte die Stirn. »Mr. Wyatt, ich glaub', Sie ham Fieba. Ihre Aug'n. Die Missis würde bestimmt –«
    Sie stockte, wahrscheinlich, weil sich mein Ausdruck veränderte. Ich sah hinter ihr, wie sich die Bibliothekstür einen Spalt öffnete.
    Da drehte sich Minnie verblüfft um. Die Tür rührte sich nicht mehr, und von Wilby war nichts zu erblicken.
    Statt dessen ertönte seine Stimme – und auch dies schien zu dem gleichen vorbestimmten und hoffnungslosen Ablauf dieses Tages zu gehören. »Mit wem redste da?« Genuschel. »Was is 'n los?«
    Ich sah, wie sich Minnies Rücken versteifte.
    »Ich habe nur mit der Katze gesprochen«, antwortete ich.
    Schweigen. Minnie wartete ebenfalls ab.
    Dann wurde die Tür so vehement aufgerissen und gegen die Wand geschmettert, daß alle Bilder, auch Lydias Porträt, wackelten. Wilby erschien, barfuß, torkelnd und grinsend. Er trug die Brille. Er stemmte die Fäuste in die Hüften und starrte uns wütend entgegen.
    »Du verlogener Hund! Mann, wenn du was sagst, dann glaub' ich das Gegenteil. Is das die Katze? Die sieht mir eher wie ein schwarzer Niggerbär aus.«
    Minnie sog scharf den Atem ein und hob die Schultern. Ich erwartete, daß sie fragen, vielleicht sogar eine Erklärung fordern würde. Statt dessen flüsterte sie: »Das … das is er.« Dann deutete sie auf Wilby und wiederholte: »Das is er! Er war's!«
    »Halt die Luft an, Niggerweib. Weck mich nich auf.«
    Sie machte einige Schritte auf ihn zu. »Sie waren's. Das Gesicht kenn' ich. Die Brille. Ich ruf' die Polizei!« Sie drehte sich ruckartig zu mir herum. »Mr. Wyatt, kann ich mal telephonier'n?«
    »Was hat er getan?« fragte ich, auf alles gefaßt.
    »Was er getan hat?« Minnie klemmte empört die Handtasche unter den Arm. »Er hat mir die Tasche geklaut, das hat er gemacht. Letzt'n Dienstag aufm Heimweg in der U-Bahn hat er mich angerempelt, daß ich fast hingefall'n wär, und wie ich wieder stehe, war er schon mit der Tasche verschwund'n!«
    Sie schob sich zum Telephon hin. »Deshalb hab' ich auch kein' Schlüssel, Mr. Wyatt. Sonst hätt' ich nich geläutet.«
    »Dachte mir, daß ich die Fratze schon gesehen habe«, sagte Wilby.»Aber in 'nem Alptraum, am Lagerfeuer in Afrika mit 'ner Trommel.«
    Minnie schnaubte und nahm den Hörer ab. »Was für 'ne Nummer hat die Polizei?«
    Ich schaute Wilby an, der lässig, amüsiert, am Türrahmen lehnte. Vergangenen Donnerstag – wie lange vorher schon hatte er mich beobachtet, meine Gewohnheiten ausspioniert, den Überfall geplant? Und ich hatte Geoffrey verdächtigt, Wilby einen Wohnungsschlüssel beschafft zu haben.
    »Was muß ich wähl'n, Mr.

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