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Sonst kommt dich der Jäger holen

Sonst kommt dich der Jäger holen

Titel: Sonst kommt dich der Jäger holen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michaela Seul
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heiraten. Sie waren ja auch mal ineinander verliebt, aber es hat nicht gehalten. Und das alles, Herr Kommissar, das ist jetzt kaputt. Und daran sind Sie schuld.«
    »Weil der Herr Brandl mir von Ihrer«, Felix zögerte, »Affäre erzählt hat?«
    »Ach, Affäre hat er es genannt?«
    Felix überlegte kurz, ob er Alice Ludewig darauf hinweisen sollte, dass es eine Art von alten Geschichten gab, die nie ganz erkalteten, wo echte Leidenschaft im Spiel war, erlosch die Glut niemals, auch nach Jahrzehnten ließ sie sich noch anblasen. Sie selbst hatte es mit ihrer Reaktion bewiesen.
    Er beschwichtigte sie. »Das ist meine Interpretation. Ich glaube nicht, dass er es so genannt hat.«
    »Wie hat er es denn genannt?«
    »Ich erinnere mich nicht. Aber er hat keinen Zweifel daran gelassen, dass es«, Felix räusperte sich, »tief ging.«
    Damit war Alice Ludewig zu Felix’ Erleichterung zufrieden.
    »Ich konnte ihn nicht davon abhalten«, erzählte sie mit belegter Stimme. »Heute sag ich es der Maria, hat er gesagt, weil der Kommissar jetzt eingeweiht ist, und das geht nicht, dass ein Dritter Bescheid weiß und die Maria nicht. Und dann ist die Maria weg. Wohin? Sie müsste doch zu ihrer besten Freundin flüchten. Aber die ist ja die Verursacherin.«
    »Maria Brandl hat sich nicht bei Ihnen gemeldet?«
    Alice kniff die Lippen zusammen. Wie ein kleines Mädchen sah sie plötzlich aus.
    »Wo ist die Frau Brandl denn?«
    »Ich weiß es nicht. Der Franz glaubt, dass sie in irgendeinem Hotel ist. Vielleicht ist sie auch weggeflogen, der Pass ist nicht mehr da, und Gwand fehlt auch.«
    »Geben Sie ihr Zeit«, riet Felix. »Vielleicht renkt sich das wieder ein.«
    »Ich habe mit ihr telefoniert. Einmal. Sie sagt, ich hätte es sagen müssen. Wie ich ihr all die Jahre ins Gesicht hätte schauen können.«
    »Es ist lang her.«
    »Ich hab mich das auch oft gefragt. Gerade am Anfang. Wie kann ich ihr ins Gesicht schauen, hab ich mich gefragt. Aber je länger ich es nicht gesagt habe, desto unmöglicher ist es geworden, alles zu beichten. Meine Angst ist immer größer geworden, dass ich sie verliere. Das war zuerst besonders schlimm wegen dem Benny, aber dann noch viel schlimmer wegen ihr. Je älter ich geworden bin, desto wichtiger war sie mir doch. Zuerst wäre es gar nicht gegangen ohne ihre Hilfe. Da wäre die Alternative für mich gewesen, dass ich weiter mit einem Alkoholiker zusammenlebe. Die Maria war es, die mir Mut gemacht hat, ihn zu verlassen. Du schaffst das, Alice, hat sie gesagt. Ich helf dir. Sie hat Wort gehalten. Den Benny konnte ich immer zu ihr bringen, sie war viel daheim, hat bloß die Walli gehabt und den Haushalt. Ja, der Garten ist schon groß, aber da sind die Kinder unter Aufsicht, und oft hat sie den Benny vom Kindergarten mitgenommen und ihn bis zum Abend behalten, wenn ich mal länger in der Firma geblieben bin. Wie hätte ich denn da sagen sollen: Übrigens habe ich ein Verhältnis mit deinem Mann gehabt? Und dann habe ich gedacht, ach, das ist so lang her. Aber das war eine Lüge. So was verjährt nicht. Und deshalb bitte ich Sie: Reden Sie mit der Maria. Bitte. Erklären Sie ihr das. Ich habe sie angerufen auf ihrem Handy, aber sie nimmt nicht ab. Ich brauche einen Dolmetscher. Bitte tun Sie das. Ich weiß nicht, wen ich sonst hinschicken könnte zu ihr. Sagen Sie ihr, dass unsere Freundschaft mir tausendmal wichtiger ist als das, was damals war, dass ich mich nicht mal mehr daran erinnern kann.«
    »Es war also nichts Großes?«, fragte Felix eine eher private Frage.
    »Es darf nichts Großes gewesen sein«, erwiderte Alice Ludewig, »man muss weiterleben.« Sie tötete die nächste Zigarette und zündete sich sofort eine neue an. Dann schaute sie Felix direkt ins Gesicht. »Und wie leben Sie mit all dem? Die Frau von meinem Gynäkologen, die ihren Mann erschossen hat, ist auch verhaftet. In der Zeitung habe ich gelesen, dass er sie jahrelang betrogen und auch verprügelt hat. Wer hat ihr geholfen? Wo sind Sie denn, wenn Sie gebraucht werden?«
    »Ich wüsste nicht, wann in Ihrem Fall der rechte Zeitpunkt gewesen wäre.«
    »Als ich ganz allein dastand mit dem Benny.«
    »Das sind private Probleme.«
    »Aber damit fängt es doch an, oder? Fangen nicht die meisten Morde so an? Weil es Beziehungstaten sind? Mein Ex-Mann hat mir einmal drei Rippen gebrochen.«
    Felix gab sich den Anschein, Sinah zu beobachten, während es in seinem Kopf heiß lief. War das ein Hinweis? Wollte sie ihm etwas sagen? Die

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