Sonst kommt dich der Jäger holen
Kollegen mussten diesen Exmann überprüfen.
»Frau Ludewig, was wollen Sie mir sagen?«, fragte er direkt.
Sie inhalierte tief und schleuderte ihre Worte mit dem Rauch heraus.
»Der Franz, der war da oben, wo der Jensen gewohnt hat. Er ist mit dem Auto raufgefahren, weil er überprüfen wollte, wie lang das dauert. Ob der Jensen das geschafft haben könnte. Ob er die Laika erschossen haben könnte und dann zurück nach Kiel. Er hätte es nicht geschafft mit dem Zug, das hat der Franz alles überprüft.«
»Und?«
»Danach war er anders. Er war wie ausgewechselt, aber da wusste ich noch nicht, dass er oben war. Jetzt weiß ich das. Er hat es mir erzählt.«
»Also haben Sie mit ihm gesprochen?«
»Nur einmal. Am Telefon. Er will mich auch nicht sehen. Er sagt, dass es ihm leidtut, aber dass er mich jetzt nicht treffen kann, weil es doch wegen mir ist. Also wegen uns. Der Franz, der gibt mir keine Schuld, aber er kann ja jetzt wohl schlecht mit mir Essen gehen oder mich besuchen oder ich ihn.«
»Entschuldigung, aber Ihre Affäre, Ihre Beziehung, Ihre … ja, wie soll ich es nennen?«
»Liebesgeschichte«, schlug Alice Ludewig vor und machte damit ein Fenster zu ihrem Herzen auf.
»Liebesgeschichte«, wiederholte Felix respektvoll, »ist sehr lange her. Und wenn Sie das jetzt selber so sagen, hat denn dann die Maria nicht recht?«
»Nein. Weil es so lange vorbei ist. Das war es damals. Danach waren wir Freunde.«
»Das kann man manchmal schwer auseinanderhalten«, sagte Felix leise.
»Die Maria sagt«, fuhr Alice fort, »und damit hat sie irgendwie recht, dass es nicht ein Betrug war, sondern viele, über dreißig Jahre.«
»Und was hat der Franz Ihnen am Telefon gesagt?«, fragte Felix.
»Dass er die Frau von dem Jensen gesehen hat. Mit einem anderen Mann. In Ihrem Haus. Er ist in der Nacht angekommen und hat sie durch einen Spalt in der Jalousie entdeckt. Beide waren nackt. Die Jensen hat einen Liebhaber.«
Felix spürte, wie sein Herzschlag sich beschleunigte.
»Und das hat ihn … besänftigt?«
»Nein. Das hat ihn gefreut.«
»Hat er das dem Jensen gesagt?«
»Nein.«
»Sind Sie sicher?«
»Ja.«
»Weshalb?«
»Weil ich ihn das gefragt habe und weil das nicht seine Art wäre.«
»Wem hat er davon erzählt?«
Alice Ludewig zuckte mit den Schultern.
»Seiner Frau?«
»Bestimmt nicht«
»Das war eine wichtige Information, Frau Ludewig. Danke.«
»Reden Sie mit der Maria?«
»Ja.«
»Wann?«
»Geben Sie mir ihre Handynummer. Ich rufe sie an.«
»Und wenn Sie nicht drangeht?«
»Ich geb nicht so schnell auf.«
»Das weiß ich. Das steht in Ihrem Gesicht. Deshalb habe ich so sehr darauf gedrängt, dass Sie noch einmal zu mir kommen.«
»Papa?«, fragte Sinah, als er den Wagen Richtung See steuerte.
»Ja?«
»Krieg ich ein Meerschweinchen?«
»Ach Sneku.«
»Bitte.«
»Von mir aus gern.«
»Und einen Hund?«
»Noch lieber, Sneku.«
»Kannst du das mal die Mama fragen. Bitte.«
»Ja. Aber ich glaub … Das weißt du doch selber.«
»Und wenn ich bei dir wohne, Papa?«
»Ja?«
»Dann darf ich einen Hund haben und ein Meerschweinchen?«
»Ich weiß nicht, ob die sich vertragen.«
»Dann nur einen Hund.«
»Ja, das wär mir auch lieber. Aber das geht jetzt gerade nicht, Sneku. Ich muss doch arbeiten. Ich bin ja den ganzen Tag weg. Wer soll dir denn was zu essen machen?«
»Ich muss gar nichts essen!«
»Doch, das musst du. Damit du ein großes, starkes Mädchen wirst.«
»Ich ess im Kindergarten.«
»Und der Hund muss auch Gassi geführt werden.«
»Den kann ich mitnehmen!«
»Aber nicht in den Kindergarten.«
»Doch.«
»Gibt es denn schon einen dort?«
Das kleine geliebte Gesichtchen im Rückspiegel verzog sich zu einem Weinen.
»Papa …«
Er hielt an, schnallte sie ab und wischte ihr die Tränen weg. Er hätte gern mitgeweint.
»Die Berenice hat auch einen Hund gekriegt, und ihr Papa geht immer mit dem Gassi und … und … und …« Wie immer, wenn sie ganz viel auf einmal sagen wollte oder zu klein war für ihre großen Gefühle, verschluckte sie sich und kriegte gar nichts mehr raus.
Felix hob sie sich auf den Schoß und wiegte sie, als wäre sie noch ein Baby, seine Nase in ihrem seidenweichen Haar. Tief sog er den Duft ihrer Kopfhaut ein und brauchte selbst lange, ehe er sprechen konnte, weil das alles auch für ihn zu groß war.
»Jetzt gehen wir Tretboot fahren.«
»Aber nur mit einem roten«, sagte seine Tochter, die sich immer schnell trösten
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