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Sonst kommt dich der Jäger holen

Sonst kommt dich der Jäger holen

Titel: Sonst kommt dich der Jäger holen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michaela Seul
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einbüßen. Wir sind schon so weit gekommen.«
    Der Chef stand auf. »Jeder von uns entwirft einen Plan. Wir treffen uns in drei Stunden wieder. Hier.«

64
    Es verstieß gegen die Dienstvorschrift, mit einer Dreijährigen bei einer Informantenbefragung aufzukreuzen, doch genau genommen war das ja gar nicht sein Fall. Felix wollte Sinah nicht im Auto lassen, und vielleicht entspannte sich Alice Ludewig in der Gegenwart eines Kindes, den Johannes hatte sie gern bemuttert. Als er geklingelt hatte, fiel ihm der Qualm in der Wohnung ein. Den würde er nicht mehr aus den Klamotten seiner Tochter rausbringen. Melanie würde ihm die Hölle heißmachen. Ob er Sinah mitnahm in Raucherclubs?
    Der gleichen Meinung war Alice Ludewig.
    »Hinter dem Nachbarhaus ist ein Spielplatz! Ich komme gleich runter.«
    Fünf Minuten später saßen sie auf einer grün gestrichenen Bank vor einem Sandkasten, rechts und links bunte Turngeräte und außen rum eine große eingezäunte Wiese. Sinah hatte sofort Anschluss an zwei Mädchen, die Halsbänder für ihre Meerschweinchen aus Gänseblümchen flochten. Sinah durfte die Blümchen pflücken. »Aber nur die wirklich schönen, und die Stiele müssen lang sein!«
    Alice Ludewig hielt ihren Wohnungsschlüssel, eine Schachtel Zigaretten und ein Feuerzeug in der linken, eine brennende Zigarette in der rechten Hand.
    Sie kam sofort zur Sache. »Es geht mir um den Franz. Und um die Maria. Um unsere Freundschaft. Um alles.«
    »Wie darf ich das verstehen?«
    »Das dürfen Sie so verstehen, dass Sie das zerstört haben.«
    »Wenn das hier jetzt in eine Beschimpfung ausartet, dann geh ich sofort wieder. Heute ist Sonntag.«
    »Ja, und wo Sie doch gar nicht zuständig sind.«
    »Genau.«
    »Ich werde Ihnen trotzdem meine Meinung sagen. Mir reicht es nämlich jetzt. Alle machen mit mir, was sie wollen. Hin und her werde ich geschubst. Ich habe nichts mehr zu verlieren. Aber ich sag Ihnen dafür dann auch was.«
    »Ich lass nicht mit mir handeln.«
    »Dann gehen Sie eben wieder.«
    Neugierig musterte Felix die Frau. Irgendetwas war geschehen. Sie hatte sich verändert. Wirkte entschiedener, härter, konzentrierter.
    »Erzählen Sie«, forderte er sie auf.
    »Zuerst hat man mir bei Puster gekündigt.«
    »Das weiß ich.«
    »Daran war Gerd Jensen schuld.«
    »Auch das ist mir bekannt.«
    »Dann finde ich keinen neuen Job.«
    »Das haben Sie in unserem Gespräch erwähnt.«
    »Ich steuere unaufhaltsam auf Hartz 4 zu.«
    »Das tut mir leid.«
    »Ihr falsches Mitleid können Sie sich sparen.« Sie zerdrückte ihre Kippe an einem Eisenträger unter der Bank, als wollte sie ihr das letzte Quentchen Luft herauspressen.
    »Ich hatte eine Freundin. Die beste. Maria Brandl. Die Maria, die hat mir immer geholfen, immer. Ich habe meinen Benny allein groß kriegen müssen. Unsere Kinder waren ja gleich alt …«
    »Die Innigkeit Ihrer Beziehung haben Sie bei unserem ersten Gespräch verschwiegen.« Felix drückte sich mit Bedacht so förmlich aus. Er wollte das hier abkürzen. Und dann mit Sinah aufs Wasser, wie er es ihr versprochen hatte.
    »Weil ich den Franz nicht in Schwierigkeiten bringen wollte! Ich wollte nicht, dass bekannt wird, dass er wegen mir den Jensen zusammengeschlagen hat. Ich wollte überhaupt nicht, dass die alten Geschichten ans Licht kommen.«
    »Irgendwann kommen sie immer ans Licht.«
    »Ja. Weil Sie sie aus dem Dunklen gezerrt haben, wo sie gut aufgehoben waren! Sie haben dem Franz so zugesetzt, dass er Ihnen das mit uns erzählt hat.«
    »Ich habe dem Herrn Brandl nicht zugesetzt. Das hat er mir freiwillig erzählt.«
    »Ach geh! Obwohl es bald dreißig Jahre zurückliegt. Dreißig Jahre, in denen die Maria und ich zu besten Freundinnen geworden sind.«
    »Manchmal tut so eine Beichte gut.«
    »So reden Sie es sich schön!«
    »Was wollen Sie mir mitteilen, Frau Ludewig?«
    Alice Ludewig stieß einen höhnischen Laut aus und starrte dann eine Weile in die Wiese. Felix unterbrach sie nicht. Irgendwo fuhr ein Notarzt, und die Mädchen kicherten. Hoch über ihnen zeichnete ein Flugzeug einen Kondensstreifen an den strahlend blauen Sonntagshimmel.
    »Ich war nicht bloß mit der Maria befreundet, nein, auch mit dem Franz. Eng befreundet. Wir haben schon längst nicht mehr an die Vergangenheit gedacht. Unsere Freundschaft war ein solches Glück für mich. Wir sind sogar zusammen in den Urlaub gefahren. Die zwei und die Walli, der Benny und ich. Damals habe ich mir gewünscht, unsere Kinder sollten

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