Sonst kommt dich der Jäger holen
»Flipper, hier.«
Flipper setzte sich gehorsam vor seine Schuhe.
»Flipper, hier!«, rief Andrea.
Flipper stand auf und lief zu Andrea.
»Flipper, steh!«, verlangte Felix und Flipper blieb mitten im Flur stehen. Schaute von Andrea zu Felix und zurück und winselte unglücklich. Starrte zur Tür. Doch die blieb zu. Keine Erlöserin in Sicht.
»Flipper, komm zu mir«, lockte Andrea.
»Bleib«, befahl Felix.
Flipper legte sich ins Platz und fuhr sich mit den Pfoten übers Gesicht. Was wirkte, als wollte er sich die Augen und Ohren zuhalten, war lediglich eine Übersprunghandlung.
»Das ist doch kindisch«, sagte Andrea.
»Ich habe damit nicht angefangen. Ich werde jetzt also den Hund mitnehmen.«
»Nein, das werden Sie nicht.«
»Sie werden mich nicht daran hindern.«
»Ich habe ihn bei mir aufgenommen. Ich trage die Verantwortung. Ich darf mir nicht mal vorstellen, was passieren würde, wenn ihm etwas zustößt.«
»Und wenn Ihrer Freundin was zustößt?«
»Ist sie denn in Gefahr? Das bildet sie sich doch alles nur ein?«, fragte Andrea mit dünner Stimme.
»Leider nicht, Frau Witsch.«
»Wollen Sie mich erpressen?«
»Wenn Sie mir den Hund nicht geben, nehme ich ihn gegen Ihren Willen mit. Daran können Sie mich nicht hindern. Und wenn Sie – was für Ihren Berufsstand typisch wäre – das Tier entscheiden lassen wollen, so wie man Kinder fragt, ob sie bei der Mutter oder dem Vater bleiben wollen – können Sie sich die Zeit sparen. Flipper wird mit mir gehen.«
»Wohl schlechte Erfahrungen mit dem Thema gemacht?«, spottete sie, um ihrer Empörung über sein Benehmen Luft zu machen.
»Nein, keineswegs. Ich bin mir nur absolut sicher.«
»Aha?«
»Der Hund will zu seiner Chefin, und wenn ich durch diese Tür hier rausgehe, durch die sie verschwunden ist, wird er mir folgen, denn ich biete ihm die Chance, sie zu suchen. Ganz einfache Hundepsychologie. Kein Wer-hat-wen-am-liebsten-Test, Frau Witsch.«
»Sie kommen sich wohl ganz toll vor?«, zischte Andrea.
»Ich würde dieses unerfreuliche Geplänkel gerne beenden.«
Als hätte Flipper ihn verstanden, setzte er sich vor die Eingangstür.
»Woher weiß ich, dass stimmt, was Sie sagen?«, fragte Andrea beherrscht und stellte sich neben Flipper. »Ich bin bei Franza im Wort. Es war nie die Rede davon, dass ich Flipper an eine dritte Person weitergebe.«
»Ich bin keine dritte Person.«
»Ach nee?«
»Ich bin im Moment wahrscheinlich der einzige Mensch, der Franza Fischer helfen kann.«
»Probleme mit dem Selbstbewusstsein sind bei Ihnen wohl nur rudimentär indiziert?«
»Wenn Sie das sagen, Frau Doktor Witsch.«
»Und wann wollen Sie Flipper zurückbringen?«
»Ich bringe beide zurück, Franza und Flipper.«
»Woher wissen Sie denn, wo sie ist?«
»Ich weiß es nicht. Ich habe eine Vermutung. Dazu brauche ich den Hund. Flipper wird sie finden, wenn ich ihn zu diesem Ort bringe. Deshalb – bitte geben Sie die Tür frei.«
»Und wenn nicht?«
Er intensivierte das Blau in seinem Blick. Andrea ging freiwillig zur Seite. Was fand Franza an diesem Kerl nur anziehend? So ein rücksichtsloser, gefühlloser, ungehobelter Bulle! Der markierte doch bloß den starken Mann, weil er Angst hatte. Aber zweifellos lag ihm an Fanza. Sehr.
Felix legte seine Hand auf die Türklinke.
»Warten Sie!«, rief Andrea. »Bitte. Franza ist womöglich traumatisiert. Sie fühlt sich verfolgt. Sie … Es geht ihr nicht gut … Die Geschichte mit Ihnen im Frühling hat womöglich etwas in Gang gesetzt.«
Felix musterte sie forschend. »Was meinen Sie damit?«
Da sah Andrea, dass er es nicht wusste.
»Haben Sie sich noch nie gefragt«, fragte sie, »warum Franza bei ihrer Großmutter aufgewachsen ist?« Sie hatte noch nicht zu Ende gesprochen, da wurde ihr klar, dass sie sich zu einem Fehler hatte hinreißen lassen. Aus Eitelkeit. Weil sie Typen wie diesen hier nicht ausstehen konnte. Doch er ließ sich nicht anmerken, dass er ihre Indiskretion überhaupt bemerkt hatte. Er wollte nur den Hund. Mit Flipper verließ er die Wohnung.
»Flipper, komm zurück, mit Franza!«, gab sie ihm mit auf den Weg, da war er schon ein Stockwerk tiefer, immer zwei, drei Stufen vor dem Mann, wie eine Lawine polterten sie ins Erdgeschoss.
76
Felix hatte die Innenstadt Münchens noch nicht verlassen, als Leopold Chefbauer am Handy Auskunft von ihm verlangte. »Da ruft eine Frau Doktor Witsch bei mir an und will deine Handynummer. Ich geb sie ihr natürlich nicht. Da
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