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Sonst kommt dich der Jäger holen

Sonst kommt dich der Jäger holen

Titel: Sonst kommt dich der Jäger holen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michaela Seul
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über seinen Scherz, an dem ich nichts lustig finden konnte.
    »Des is eine lange Geschichte«, sagte ich.
    »So, so«, sagte er und zog eine schwarze Wanne aus dem Wagen, aus der, mir stockte der Atem, zwei Beine staken. Rehbeine.
    »Ich muss jetzt aufbrechen.«
    »Wohin?«, fragte ich perplex.
    »Den Bock.«
    »Den haben Sie … getötet?«
    »Das hat die Walli auch immer gesagt, wenn sie mich hat ärgern wollen. Nein, ich hab ihn nicht getötet , ich hab ihn erlegt , wie es meine Aufgabe als Jäger ist, weil das Reh keine natürlichen Feinde mehr kennt, jetzt, wo wir keinen Wolf mehr haben, nur noch Lupos.«
    »Bitte?«
    »Autos.«
    Hatte der was genommen, beziehungsweise gekippt, wie es sich gehört für einen Jäger, Zielwasser? »Ja, und überall liegen tote Rehe rum, mich wundert, dass Sie noch eins erwischt haben.«
    »Es gibt noch immer genug«, sagte Franz Brandl gutmütig. »Mehr als genug. Was glauben Sie, wie viel Geld wir Jäger bezahlen, weil das Wild, das es gar nicht gibt, die jungen Triebe abknabbert. Der Abschussplan gibt uns vor, wie viele Rehe wir im Jahr zu schießen haben, bei Verstoß müssen wir eine Strafe zahlen und den Wildschaden ersetzen.«
    Franz Brandl trug die Wanne vor sich her. Steif ragten die dünnen Stöcke mit dem milchkaffeebraunen Fell in die Luft, überkreuzten sich roboterhaft, ein schauerlicher Totentanz ohne Knicks. Knick ging wahrscheinlich nicht mehr. Sonst Knacks.
    Ich klammerte mich an die Walli. »Die Walli hat das nicht gemocht, dass Sie jagen?«
    »Machen’S mal auf«, befahl Franz Brandl mir, und ich öffnete die Tür zu dem Gartenhaus, in dem sich wider Erwarten keine typischen Gerätschaften befanden, sondern eine Waschmaschine und ein Trockner. Es gab eine Tür zu einem zweiten Raum, und die Wandseite gegenüber des Fensters war komplett verkachelt. Davor eine lange Arbeitsplatte, an der Wand eine Reihe Messer, Haken an der Decke – in diesem Raum funktionierte das Zusammenleben zwischen Mann und Frau, es herrschte Balance zwischen Schlachterei und Wäscherei. Aber … wo war die Frau?
    Franz Brandl folgte meinem Blick. »Da hinten ist meine Kühlkammer. Und des is meine Wildkammer. Ganz früher war ich da herin mit der Walli. Weil wir seinerzeit alles zusammen gemacht haben. Da hat sie mich begleitet auf die Jagd, und schon mit zwölf hat die schießen können.«
    »Mit zwölf!«
    »Freilich. Die Walli hat eine ruhige Hand gehabt. Nur Treffer. Sogar auf zweihundert Meter hat die nie verfehlt. Aber dann ist sie in den falschen Freundeskreis reingerutscht. Grüne Vegetarier. Und auf einmal wollte sie nix mehr davon wissen.«
    Franz Brandl stellte die Wanne mit dem Reh auf den Boden. Die Augen offen. Braun und trüb. Erloschen sein Blick. Ein kleiner Kopf, kleine Hörnchen, ein junger Kerl, noch grün hinter den putzigen Lauschern. Ermordet.
    Hallodri hatte sich vor dem Häuschen ins Platz gelegt. Für ihn war das offenbar nichts Neues. Für mich schon. Franz Brandl nahm ein Messer von einem Magnethalter an der Wand, spreizte die Beine des Bocks. Wehrlos und ausgeliefert und entsetzlich tot lag das Tier auf dem Boden, und auch so menschlich mit den gespreizten Schenkeln, auf die Brandl sich kniete, sie weit geöffnet hielt. Dann packte er den Penis und die Hoden, hob sie an und begann daran herumzusäbeln. Säuerlich stieg Butterbrezenbrei in meiner Kehle hoch.
    Franz Brandl deutete auf den Penis. »Pinsel nennt man den.«
    »Aha«, sagte ich.
    »Ich glaub«, begann Franz Brandl, »wenn die Walli nicht so renitent hätte sein müssen aus Prinzip, dann wär sie weiter mit mir auf die Jagd gegangen, weil sie das im Blut gehabt hat. Es gibt gar nicht so viele gute Jäger wie welche, die sich selber so nennen. Meine Tochter, die hat einen Instinkt gehabt, wo was steht, und sie hat immer getroffen. Da hast du nicht nachsetzen müssen.«
    Franz Brandl warf die abgeschnittenen Eier in einen blauen Eimer. Klatschend landeten sie auf dessen Boden. Er trug keine Handschuhe und von seiner rechten Hand tropfte Blut. Er streifte es an dem weißen Böckleinbauch ab, der sehr weich aussah und seidig.
    »Schieben’S mir den Eimer mal rüber«, befahl er.
    Ich hielt die Luft an, während ich seiner Bitte Folge leistete, und mied den Blick in den Eimer.
    »Da musst du sauber arbeiten, derfst nicht in die Eingeweide schneiden, damit wir keine Sauerei kriegen wie Bakterien, sonst kannst du das ganze Fleisch wegschmeißen«, erklärte er mir etwas, wofür ich im Moment keine

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