Sonst kommt dich der Jäger holen
Kapazitäten hatte. Auf und ab wogte mein Kampf mit der Butterbreze.
»Warum hat die Walli denn nicht mehr jagen wollen?«, fragte ich als es zwanzig zu neunzehn für mich stand und ich eine Brise durch die Nase nahm. Überrascht stellte ich fest, dass die Luft rein war. »Hat sie eine beste Freundin gehabt, die das nicht wollte?«
»Ja, mei, vielleicht die Bella.«
»Wer ist des?«
Franz Brandl steckte zwei Finger in das Loch, wo vorher die Hoden gewesen waren, und hob die Bauchdecke an. »Wollen’S mal?«, fragte er mich freundlich. »Die Walli, die hat das immer gern gemacht. Is so schön warm, hat sie gesagt. Wir ham des ja früher oft gleich draußen erledigt. Innen drin ist es im Winter schön kuschelig.«
»Schön kuschelig«, wiederholte ich. Der meinte das ernst, was er sagte.
»Wie ein Muff. Des dauert, bis der Bock auskühlt. Jetzt heben Sie mir die Bauchdecke hoch, und ich trenn den Bock auf, aber immer schön von den Eingeweiden weghalten, gell.«
Er zeigte mir, wie er es meinte und ein grässliches Schmatzen ertönte.
»Nein, der lebt nicht, das war bloß Luft«, lachte Franz Brandl und offerierte mir das Loch in dem Bock erneut.
»Nein, danke«, lehnte ich ab.
»Aber Fleisch essen tu ma schon?«
»Selten.«
»Des is des, was ich nicht versteh. Da essens alle Fleisch und wollen nicht wissen, woher das kommt. Ich mein, dass jeder, der wo ein Fleisch isst, auch in der Lage sein müsst, es sich zu beschaffen oder in der Verwertung irgendeine Rolle zu spielen.«
»Aber es ist doch ein Unterschied, ob man ein Tier in der freien Wildbahn tötet oder es züchtet.«
»Ja freilich ist des ein Unterschied«, nickte Franz Brandl und setzte das Messer an, schnitt vorsichtig und zart den Bauch des Rehs auf. »Das eine Viech hat was gehabt von seinem Leben. Und deshalb schmeckt sein Fleisch auch besser. Des war in keinem Tiertransporter nicht. Den Bock hier«, er setzte ab und klopfte dem Leichnam kameradschaftlich auf den Schenkel, »hab ich heut früh um acht auf einer Lichtung erlegt. Der hat mich nicht gehört. Geäst hat er, und auf einmal war es aus. Und genauso schmeckt dann sein Fleisch. Nach Lebenskraft und Morgentau.«
»Sie essen ihn selbst?«
»Nicht alles. Ich hab eine Wirtschaft, die ich beliefere. Wenn ich drei Stück beieinanderhab, bring ich sie dem Wirt.«
»Und Ihre Frau?«
»Die hat die Kühltruhe voll mit Wildbret. Aber sie selbst mag beim Aufbrechen nicht dabei sein. Essen tut sie’s auch gern. Ist ja was Feines.« Er räusperte sich und dozierte: »Die Lebensweise des Wildes ist ein Garant für Gesundheit. Wildbret ist arm an Cholesterin, dafür reich an Eiweißen. Bei ständiger Bewegung in der freien Natur setzen die Tiere auch kaum Fett an.« Er zwinkerte mir zu. »Mögen Sie kein Wild nicht?«
Ich zuckte mit den Schultern, weil ich mich nicht erinnern konnte, ob ich überhaupt schon mal so was gegessen hatte. Wenn es bei mir Fleisch gab, dann meistens Pute, Fisch oder eine Leberkässemmel, falls man diese Abfälle als Fleisch bezeichnen wollte.
Mit langsamen, fast zärtlichen Bewegungen arbeitete sich Franz Brandls Hand mit dem Messer hoch bis zum Kehlkopf und schlitzte den Rehbock komplett auf.
»Das Problem sind nicht die Jäger«, erklärte er mir und griff nach einem anderen Messer, mit dem er nun unter Krafteinsatz am Brustbein des Bocks säbelte. Schweiß glänzte auf seiner Stirn. »Das Problem sind die schlechten Schützen, die den Kopf treffen wollen und das Kinn abschießen, und dann verdurstet dir das Tier, weil es nicht mehr trinken kann ohne Unterkiefer. Das Problem sind die Sonntagsjäger, die Jagdgäste, die Großkopferten, die eingeladen werden oder bei den Forsten dafür zahlen, dass sie mal eine Trophäe schießen dürfen. Das hat mit Jagd und Jagdethik nix zum tun. Aber auch die Bauern sind ein Problem, wenn die nämlich mähen, und in den Feldern liegen die Kitze. Die Bauern sagen vorher selten Bescheid, weil alles so schnell gehen muss heutzutage, wo jeder viel länger lebt und viel mehr Maschinen und viel weniger Zeit hat. Sonst könnt ma ja vorher durch die Felder gehen, Krach machen und Unruhe stiften, damit die Geißen ihre Kitze herausholen und die nicht gehäckselt werden.«
Mit einem schnellen Schnitt ritzte er den Hals des Rehs. So also sahen Luft- und Speiseröhre aus, ich kannte das von Flippers Futter, Sorte Kleine Geflügelherzen und -mägen . Franz Brandl zog die Rehbockgurgel aus dem Hals, dehnte sie in meine Richtung.
»Einen
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