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Sonst kommt dich der Jäger holen

Sonst kommt dich der Jäger holen

Titel: Sonst kommt dich der Jäger holen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michaela Seul
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Diesmal griff Tichow danach. Leo hielt es fest.
    »Vor ein paar Monaten wurde in dem Wald am Hauptquartier ein Hund erschossen. Weißt du was darüber?«
    »Scheiße, ja«, nickte Tichow und Leo ließ das Kuvert los. »Das war meine Truppe. Die Soldaten waren bekifft und besoffen. Da kam der Chund an, hat sie genervt, und sie haben ihn abgeknallt. Glaubst du, das hat mir gefallen, he? Ich mag Chunde. Habe auch mal einen gehabt. Gorbatschow. Der hat viele Kämpfe gewonnen. Das war ein Held.«
    »Hundekämpfe sind in Deutschland verboten.«
    »Hier ist alles verboten, was Spaß macht, Leo. Du musst ein trauriger Mann sein.«

74
    Zwei Dutzend junger Männer hingen an diesem verregneten Abend in dem Billardsalon in Starnberg ab. An der Bar saßen gelangweilt drei junge Frauen. Wahrscheinlich fungierten sie wegen des Pärchentarifs als Dekoration. Die Frau zahlt nichts, der Mann den halben Tisch. Die Frau kriegt ein Getränk ihrer Wahl und bewundert den Mann ihrer Wahl. Es waren erst vier der zehn Tische bespielt, davon einmal Snooker. Die Musik stammte von Bayern drei, nicht mal bei den Nachrichten wurde der Sender gewechselt, wie ich um einundzwanzig Uhr hören konnte. Obwohl das Rauchen auch in Höllen wie diesen seit Jahren verboten war, nahm ich eine leichte Fährte kalter Asche auf, über welcher der geschmolzene Käse einer Fertigpizza, die eine der Frauen mit der Hand aß, lange Fäden zog. Eine dreifach gepiercte Zunge schleckte sie genüsslich weg. Ich bestellte einen Spezi an der Bar und schlenderte mit dem Glas in der Hand zu den Jungs, die mich längst eingescannt hatten.
    »Lust auf ein Spielchen?«, fragte ich ohne Umschweife.
    Die Jungs, die meisten etwas jünger als ich und nicht mehr ganz nüchtern, kannten sich alle. Ich bezweifelte, dass ich sie in drei Stunden noch immer so harmlos finden würde, wenn sie in dem Tempo weitertranken.
    Einer der Jungs reichte mir einen Queue. Ich wog ihn in der Hand, rollte ihn über den Tisch, gab ihn zurück. »Das Krummholz kannst du behalten.«
    Ein Ruck ging durch die Clique. Ich war drin.
    Ein anderer reichte mir seinen Queue. »Wir laden dich ein«, ließ er mich wissen.
    »Ich zahle meinen Anteil«, lehnte ich ab.
    »Zu viert?«, fragte einer mit Sonnenbrille auf der Stirn.
    »Okay«, sagte ich.
    Ganz Kavaliere überließen sie mir den Anstoß. Ich hatte lange nicht mehr Billard gespielt, doch in den dunklen Monaten, bevor ich Flipper fand, war ich Stammgast im Schellingsalon in Schwabing gewesen, und ich hatte dort an krummen Queues von coolen Cracks gelernt. Ich versenkte zwei Halbe und in der Folge noch mal drei. Während zuerst von Glück die Rede war, verschlug es den Jungs im Spielverlauf die Sprache. Mir auch. Das machte richtig Spaß. Mein Teampartner war begeistert, als wir die schwarze Kugel in Rekordzeit versenkten. Ich brauchte nur zwei Versuche, obwohl der Loser unsere letzte Halbe ins Mittelloch geschossen hatte. Ich hasse Mittellöcher.
    »Magst was trinken?«, wurde ich gefragt.
    »Danke, hab noch«, ich hob mein Glas und stieß mit den drei Jungs aus meinem Spiel und mit den Jungs vom Nebentisch an, die offensichtlich in einem Wettbewerb um die tiefste Windel standen. Eine der Baggys reichte fast bis zum Knie. Kein Wunder, dass der Typ in diesem Beinkleid nichts einlochte.
    Im vierten Spiel fiel der Name »Benny, du Hirni«, als ein Blonder mit schwarzem Käppi und rotkarierten Boxershorts die schwarze Kugel beim Anstoß killte. Die Fährte war nicht kalt. Er verkehrte noch immer hier, wie Mona vom Agility es mir erzählt hatte.
    »Das kann jedem mal passieren«, gab ich mich gönnerhaft und arbeitete daran, mit Benny in einem Team zu spielen, was mir erst drei Spiele später gelang. Dieses Spiel verloren wir. Was natürlich nicht an ihm lag, er war schon ziemlich dicht, sondern an mir. Ich gab mich völlig zerknirscht. »Hey, das tut mir total leid; ich lad dich auf ein Bier ein.«
    »Das is aber nich okay. Dass du den Verlierer einlädst«, beschwerte sich der mit der Sonnenbrille. »Jetzt ladn wir dich ein, oda, Männer?«
    »Später gern«, sagte ich. »Vorher zahl ich meine Schuld bei ihm, Benny?«
    »Ja, ich bin der Benny.« Er streckte seine Hand vor.
    »Franza«, sagte ich.
    Die Jungs, einer nach dem anderen, versuchten mir die Hand zu brechen, während sie sich vorstellten, fast alle Namen endeten auf i oder klangen so im beginnenden Fahnenhissen.
    »Kommstn her?«
    »Von da«, wies ich nach irgendwo.
    Sie nickten und wurden

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