Sonst kommt dich der Jäger holen
bis er das Zimmer verlassen hatte, und tippte in das Googlekästchen verschiedene Adressen um die Wittelsbacherbrücke in München. Irgendwo dort hatte Franza eine Freundin, und sie hieß Andrea und war Psychologin oder Psychotherapeutin oder Psychiaterin, jedenfalls unterhielt sie eine Praxis. Das hatte Franza ihm erzählt, als sie nachts die Isar entlangspaziert waren. Da wohnt meine Freundin … er hatte nicht richtig zugehört, weil er innerlich viel zu beschäftigt damit gewesen war, dass sie ihm den Jägerfall entzogen hatten. Er war absolut sicher, dass die Frau Andrea hieß. Wie die alte Nachbarin vermutet hatte. Andrea. Andrea und Praxis und Humboldtstraße, Andrea und Praxis und Baldestraße .Eine Praxis für Physiotherapie und eine Zahnärztin schloss er aus. Blieb Andrea Witsch. Er notierte ihre Telefonnummer, schnappte sich seine Jacke und machte sich auf den Weg.
»Felix! Wohin so eilig? Wir haben gleich Einsatzbesprechung, bist du dabei?«
Wortlos stürmte er nach draußen. Im Auto wählte er die Nummer von Andrea Witschs Praxis. Der Anrufbeantworter. Er probierte es mit der Privatnummer. Dort ging sie nach dem vierten Läuten ans Telefon. Felix beschloss, sich nicht namentlich zu melden.
»Ist die Franza da?«
»Wer spricht?«
»Es ist dringend?«
»Wer spricht?«
»Felix Tixel.«
Schweigen.
»Hören Sie, es ist absolut dringend, dass ich mit ihr spreche. Also geben Sie sie mir.«
»Sie ist nicht da.«
»Wo ist sie?«
Schweigen. »Ich weiß nicht.«
»Wann haben Sie sie zuletzt gesehen?«
Er hörte einen Hund bellen.
»Ich komme jetzt zu Ihnen. Sofort. Bleiben Sie zu Hause.«
Er unterbrach die Verbindung und gab Gas.
Um kurz vor neun klingelte er bei ihr. Flipper schlug an. Franza war hier! Eine dunkelhaarige, zierliche Frau öffnete die Tür im vierten Stock, und Felix rannte sie einfach über den Haufen. In die Wohnung. »Franza!«
Flipper bellte zwei-, dreimal und wedelte sich dann einen Wolf. Er schnupperte kurz an Felix’ Bein – und nutzte die offene Tür.
»Halt!«, rief Andrea.
Felix spurtete los und fing Flipper zwei Stockwerke tiefer wieder ein.
Andrea blockierte die Wohnungstür. Flipper durfte durchschlüpfen, Felix sollte draußen bleiben. Blieb er aber nicht. Er schob die Tür auf und stand erneut im Flur, den Dienstausweis in der Hand.
»Übertreten Sie da nicht Ihre Kompetenzen?«
»Wo ist sie?«
»Nicht da.«
»Sie werden mir jetzt nicht weismachen, dass Flipper ohne Franza hier ist«, sagte Felix und öffnete die erste der vier Türen, die vom Flur abgingen.
Andrea wollte sich ihm in den Weg stellen, überlegte es sich anders. Mit vor der Brust verschränkten Armen beobachtete sie diesen sagenumwobenen Kommissar, der sich wie der letzte Macho benahm. Was nur fand Franza an dem toll? Leichte O-Beine hatte er obendrein, wenn auch ziemlich muskulös. Der bewegte sich, als benötigte er zwischen den Beinen extra viel Platz.
Was nur findet Franza an der toll?, dachte Felix, während er kurze Blicke in die sehr geschmackvoll eingerichteten Zimmer dieser Altbauwohnung warf. Teuer und edel. Ganz anderer Stil als Franza. Die ganze Wohnung roch parfümiert. Und diese Schminke im Gesicht. »Wo ist sie?«, fragte er.
»Das weiß ich nicht.«
»Lügen Sie mich nicht an.«
»Was hätte ich davon? Ich will doch selbst wissen, wo sie ist. Franza ist meine Freundin!«
»Haben Sie keine Ahnung, wo Sie sein könnte?«
»Nein, und Sie?« Sie fuhr sich durch die Haare, legte den Kopf schräg, dachte nach. »Okay«, sagte sie. »Schlechter Beginn.« Sie streckte die Hand vor »Andrea Witsch. Wir können du sagen.«
»Lieber nicht«, sagte er.
Jetzt verlor sie die Kontrolle, wirkte verwirrt. »Sie sind doch Franzas … Freund, ich meine, ein guter Bekannter. Und ich bin ihre Freundin.«
»Deshalb müssen wir uns noch lange nicht duzen«, erklärte Felix. Er hasste diese Frauenklüngel, seit Melanies Freundinnen über ihn zu Gericht saßen. Was wusste diese Fremde hier von ihm, was er ihr nicht erzählt hatte und niemals erzählen würde?
»Wie Sie wünschen«, erwiderte Andrea sachlich und dachte: Der ist wie sie. Das ist nicht zu fassen. Ruppig und taktlos wie sie.
»Ich nehme den Hund mit«, erklärte Felix.
»Was?« Entgeistert starrte sie ihn an.
»Ich brauche ihn.«
Sie stemmte die Hände in die Seiten. »Bitte? Was bilden Sie sich ein! Sie kommen hier einfach reingeschneit und …«
»Ich nehme den Hund jetzt mit«, stellte er ruhig fest und befahl:
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