Sonst kommt dich der Jäger holen
schuld an dem Unfall?«
»Was heißt hier schuld«, fragte er ungehalten.
»Aber wenn er …«
»Man ist schuld, wenn man weiß, was man tut. Was glauben Sie denn, wie den Benny das mitgenommen hat. Der ist doch gar nicht mehr auf die Beine gekommen danach, und vorher war er schon bloß auf einem gestanden im Leben. Freilich hab ich ihm das zum Vorwurf gemacht, meine Frau ja auch. Aber er kann nichts dafür, der Bua. So ist er. Schwach, unzuverlässig. Wenn sie mit dem Fernseh schauen und es wird dramatisch, dann heult der. Des ist der Benny.«
»Das ist doch keine Schwäche!«, warf ich mich für ihn in die Bresche, obwohl ich Heulsusen nicht ausstehen konnte.
»Von mir aus kann er des machen, wenn er allein ist. Ein Mannsbild weint nicht vor anderen. Das macht ein Mannsbild mit sich allein aus.«
»Warum?«
»Sie stellen Fragen!«
»Warum?«
Frech grinste er mich an. »Sonst bräucht mer ja keine Frauen mehr, die wo für die Mannsbilder heulen.«
»Und wann haben Sie den Benny zum letzten Mal gesehen?«
Bildete ich mir das ein oder veränderte sich Franz Brandls Gesichtsfarbe da? Ohne mir zu antworten, öffnete er die Tür zum Nebenzimmer. Ein eisiger Hauch streifte mich. Ich hörte das Gebläse eines Kühlaggregats. Neugierig warf ich einen Blick in die Kühlkammer. Da hingen zwei Rehe kopfüber. Plötzlich ein Schubs, ich stolperte nach vorne, und für einen kurzen Moment befürchtete ich, Franz Brandl werde mich in die Kühlkammer sperren. Doch er hatte den Bock über der Schulter und rempelte mich an. Grob. So wie es gar nicht zu ihm passte. Auch in seinen Augen hatte sich etwas verändert. Ich trat einen Schritt zurück und vermisste Flipper. Sehr. Franz Brandl hängte den Rehbock zu den anderen beiden.
»Jetzt reift das Wildfleisch in der Decke«, ließ er mich wissen. »In ein paar Tagen schlag ich das Reh aus der Decke, zieh das Fell ab. Und jetzt muss ich weg.«
Er streckte mir seine blutige Hand entgegen. Ich zögerte, dann ergriff ich sie. Er merkte das gar nicht. Hantierte, ohne mich zu beachten, in seiner Kühlkammer weiter. Ich wusch mir die Hände am Wasserhahn in dem blutigen Becken über den Innereien.
»Gibt’s noch was?«, fragte Franz Brandl.
»Nein …«, sagte ich verwirrt.
»Ja dann, habe die Ehre.«
»Gleichfalls.« Mit einem unguten Gefühl verließ ich sein Grundstück.
78
»Und, wie war dein Urlaub?«, begrüßte Johannes seine Kollegin Claudia von Dobbeler am Mittwochvormittag.
»Das war kein Urlaub«, knurrte sie. »Ich hatte Umzug. Wo ist der Felix?«
»Keine Ahnung. Hat vielleicht frei?«
»Das kann ich mir nicht vorstellen. Wir haben schließlich einen Sondereinsatz.«
»Ich weiß schon. Alle reden davon«, antwortete Johannes. »Aber du brauchst nicht glauben, dass ich bei so was noch nie dabei war. Sehr oft sogar. Weil Streifenbesatzungen sind überall. Selbstverständlich haben wir auch Kontrollen in den Objekten durchgeführt.«
»Na, dann muss ich dich ja nicht einweisen.«
»Äh, doch«, beeilte Johannes sich zu versichern. »Bitte.«
»Worum es geht, erfahren wir erst, wenn wir mit den anderen Einsatzkräften am Treffpunkt sind und die Truppführer die Adresse bekommen.«
» MOZ «, warf Johannes ein.
»Ja. Meldeort und Zeit sind im Moment noch geheim. So kann keiner was ausplaudern. Auch nicht versehentlich.«
»Ich habe irgendwo gehört, dass zwei Züge von der BePo angefordert sein sollen, außerdem Einheiten von USK und SEK .«
»Das klingt nach einer Hundertschaft!«
»Wenn das überhaupt reicht. Bei der Einsatzbesprechung werden wir es wissen.«
»Fallführung und Einsatzleitung liegen beim BKA ?«, vergewisserte Johannes sich. »Die teilen uns die Zugriffszeiten und Taktiken mit?«
Claudia nickte. »Die letzten beiden Male, als ich an so was beteiligt war, haben wir uns an einer Autobahnmeisterei getroffen, in der Nähe des Zielortes.«
»Jetzt, wo ich bei euch bin, komme ich vielleicht ein bisschen näher ran«, dachte Johannes laut. »Das finde ich schon spannend. Bisher war ich meistens zur äußeren Absperrung eingeteilt.«
»Letztlich machst du nichts anderes als sonst auch: Du stellst Identitäten fest, fotografierst, durchsuchst, sammelst das Zeug ein, das die auf den Boden schmeißen und das keinem gehört – und wenn du Pech hast, wirst du übel beschimpft. Reine Routine.«
»Klar«, erwiderte Johannes angestrengt gelangweilt.
»Wichtig ist es, die Situation einzufrieren. Wenn wir dort sind, darf niemand mit jemandem
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