Sonst kommt dich der Jäger holen
glaub schon.«
»Und der Typ?«
»Des ist doch der …«
»Tixel.«
»Ach du meine Scheiße!«
»Was mach der da? Spinnt der?«
»Ruf den Chef an.«
80
Mit Sicherheitsabstand folgte ich dem grünen Suzuki Samurai von Franz Brandl. Vielleicht würde er auch zu Puster fahren – Sepp Friesenegger war mein nächster Gesprächspartner. Doch Franz Brandl bog an der Kreuzung nach links Richtung Seefeld ab und weiter Richtung Unering. In diesem kleinen Dorf kaufte er sich beim Konradhof wahrscheinlich eine Leberkässemmel. Also doch. Die alten Bräuche. Im Schatten von Hut Geseke beobachtete ich, dass er telefonierte, während er die Semmel aß – und er bekam Anschluss. Telefonierend fuhr er weiter. Mein Navi zeigte mir, dass ich in einem Bogen über Weßling zurück nach Andechs fahren konnte. Ich hielt es für unsinnig, Franz Brandl weiterhin zu folgen. Doch als er in Hochstadt an der Hauptstraße parkte, packte mich die Neugier. In Deckung eines Milchtransporters beobachtete ich vom Auto aus, wie Franz Brandl sich einen länglichen Gegenstand über die Schulter warf. Eine Oboe war das wohl kaum. Sein Schritt war schwer und langsam, so als trüge er eine Last auf dem Rücken. Wo war der geschmeidige Schlossknacker? Dies war ein alter Mann, und in jeder seiner Bewegungen erkannte ich Verzweiflung. Er war sehr allein. So wie ich.
*
Der Einsatzleiter des BKA klappte sein Handy zusammen und strich einmal über seinen gepflegten Vollbart. Angespannt schauten ihn seine Männer an.
»Es geht los«, gab er das Signal zur Abfahrt.
81
Kurz vor der Waffenschmiede Puster, zwischen dem Wilden Hund und Andechs, herrschte Hochbetrieb am freien Feld. Mit Flatterleinen war ein Parkplatz abgetrennt. Drei, vier Dutzend Jäger hatten sich hier versammelt, waren offensichtlich gerade am Aufbruch. In Grüppchen standen sie beieinander, alle in ihrer Tracht, mit Hüten und Joppen, Flinten in den Händen oder an Riemen über der Schulter. Beim langsamen Vorbeifahren entdeckte ich Sepp Friesenegger unter ihnen und parkte. Auf dem Weg zu ihm hielt mich ein Jäger auf. »Gehören Sie zu uns?«
»Nein.«
»Wir haben jetzt eine Sauenjagd. Gleich sperren wir hier ab. Unser Revier ist zwar da drüben am Mais, aber zu Ihrer Sicherheit empfehlen wir Ihnen, eine Warnweste zu tragen, noch besser wär es, Sie wären gar nicht da.«
Er selbst trug seine orangefarbene Warnweste wie die anderen Jäger in der Hand. Ein echter Kerl scheut kein Risiko. Waidmannsend.
»Da schau her! Wen hamma denn da?«
Sepp Friesenegger begrüßte mich überschwänglich. »Wollen Sie mitmachen? Ich könnte das arrangieren. Ich habe hier die Leitung.«
»Welcher Kollege wird denn diesmal gejagt«, fragte ich salopp.
»Das ist nicht lustig, Frau Fischer.«
»Stimmt. Entschuldigung. Wie geht es Ihrem Kollegen, wie hieß er noch mal?«
»Der Kreitmayer ist froh, dass er wieder daheim ist. Aber man hätte ihm nichts nachweisen können. Der ist doch fußkrank.«
»Sepp!«, rief jemand.
»Glei«, rief er zurück und ließ mich wissen: »Nicht, dass Sie jetzt glauben, wir Jäger würden hier wieder unsere Gelüste befriedigen. Das hab ich Ihnen schon mal gesagt, dass ich durchaus noch Kapazitäten frei hätt«, er grinste mich frech an und wurde förmlich, als ich nicht wunschgemäß reagierte. »Die anstehende Jagd können Sie den Biogasanlagen zuschreiben. Seitdem überall vermehrt Mais angebaut wird, weil die Menschen ja mobil bleiben wollen, explodiert die Wildschweinpopulation: Die Schweine lieben den Mais.«
»Ja und?«, fragte ich genervt. Ich hatte heute bereits eine Überdosis Wild gehabt.
»Es gibt Landstriche, da trauen sich die Leut nicht mehr raus, aus Angst vor den Wildsäuen – und zu Recht, vor allem, wenn sie Junge, Frischlinge, haben. Die Wildsau ist auch für den Jäger nicht ungefährlich. Da kommen die meisten Kollegen zu Tode.«
»Wie denn das?«, fragte ich, nun doch ein bisschen neugierig.
»Erst versteckt sich die Sau, dann überrennt sie dich. Und das immer zusammengerottet. Häufiger allerdings erschießt ein Jäger den anderen.«
»Nun, das hatten wir hier erst neulich.«
»Ja, und neulich habe ich Sie auch gewarnt, dass Sie Ihren Hund anleinen sollten. Gerade heute …«
»Sehen Sie hier irgendwo einen Hund?«, fragte ich gereizt.
»Hier nicht«, sagte Sepp Friesenegger. »Aber vor fünf Minuten habe ich ihn laufen sehen, Ihren schwarzen Riesen. Es wundert mich schon, woher Sie die Nerven nehmen.«
Ich krallte mich in Sepp
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