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Sonst kommt dich der Jäger holen

Sonst kommt dich der Jäger holen

Titel: Sonst kommt dich der Jäger holen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michaela Seul
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fragte ich erstaunt, als gäbe es dazu nicht den allergeringsten Grund.
    Mit einem zerknirschten Gesichtsausdruck wies er auf die Waffe.
    »So was kann jedem mal passieren, wenn einem die Nerven durchgehen«, gab ich mich generös.
    »Nix für ungut«, sagte er. »Hab gerade ’n bisschen Stress.«
    »Ja, vielleicht trifft man sich mal wieder«, sagte ich, »beim Billard oder so«, und überlegte, ob ich aus dem Fenster hechten oder zur Tür rennen sollte. Oder einfach ganz normal aufstehen und mich verabschieden. In meinem Kopf schossen die Synapsen nur so. Und zwar scharf. Ich war mir absolut sicher, dass ich dem Mörder, den Felix suchte, gegenüberstand.
    »Woher kennst du eigentlich den Franz Brandl?«, fragte er mit neu erwachtem Misstrauen.
    »Ich find den total nett«, wich ich aus.
    Höhnisch lachte Benny auf. »Hat er dich auch eingewickelt, hä? Wie alle! Das sag ich dir gleich, das geht nur so lang gut, wie du machst, was er will. Wehe, du tust nicht, was er für richtig hält. Der hat die Weisheit nämlich mit der Baggerschaufel gefressen, der Herr Oberschlauabteilungsleiter.«
    »Wenn das Ergebnis des Vaterschaftstest anders lauten würde«, ich deutete zum Tisch, »hättest du bestimmt eine bessere Meinung von ihm. Vielleicht hast du die sogar mal gehabt. Man will schließlich von keinem Arschloch abstammen, sonst ist man doch selber eins zu fünfzig Prozent.«
    »Du kapierst das nicht«, sagte Benny. »Ich habe mir immer gewünscht, er wäre mein Vater. Ich habe herausgefunden, dass er mal was hatte mit meiner Mutter. Früher. Der tadellose Herr Brandl.«
    »So was kommt in den besten Familien vor.«
    »Als ich ein Kind war, haben manche Leute geglaubt, ich wär sein Sohn. Wenn wir irgendwo zu dritt unterwegs waren …«
    »Du, der Franz und die Walli?«
    Einen Sekundenbruchteil, ehe ich meinen Fehler bemerkte, griff er nach der Waffe.
    »Hat er dich geschickt, um zu kontrollieren, dass ich es bringe, hä?«, brüllte er. »Sollst du dem kleinen Benny auf die Sprünge helfen, damit er sich beseitigt? Wie es euch am liebsten wäre? Was bezahlt er dir dafür? Welche Vergünstigungen hat er dir versprochen? Hier eine kleine Einladung zum Gamsschießen in den Karawanken, dort den neuen Repetierer in der Holzklasse acht und Munition auf Lebenszeit? Ich lass mich nicht mehr rumschieben, wie es beliebt. Zuerst jammert er mir die Ohren voll, und dann habe ich zu den falschen Maßnahmen gegriffen. Ihr könnt mich alle mal, ihr …« Unkontrolliert fuchtelte er mit der Waffe herum. Das machte mich nervös. Wie viel Zeit hätte ich, sie ihm aus der Hand zu schlagen, hätte ich diese Zeit überhaupt? Woran konnte ich sehen, ob die Waffe entsichert war? Angestrengt versuchte ich mich an Sepp Frieseneggers Erklärungen zu erinnern. Mir fielen aber nur Filme ein. Tatorte, Western, Thriller. In solchen Szenen wuchsen den Guten Engelszungen. Hör mal Benny , müsste ich jetzt zu ihm sagen, es sieht im Moment vielleicht ausweglos für dich aus, aber das ist es doch gar nicht. Natürlich war es ausweglos für ihn und deshalb auch für mich. Er hatte Jensen erschossen, und nicht im Affekt, sondern mit Heimtücke, wer im Baum hockte, entschloss sich nicht kurzfristig, das war geplant, womöglich hatte er das Schießen vom Franz Brandl gelernt. Für Benny spielte es vielleicht keine Rolle, ob er einen oder zwei Morde beging, wo gehobelt wird, da fallen Späne. Ich wollte aber kein Span werden, sondern meine Körperspannung behalten. Wie bloß konnte ich erkennen, ob die Waffe geladen und entsichert war, wo hatte er die überhaupt her? Ich müsste sie ihm aus der Hand kicken, ich war sicher schneller als er, aber wie sicher war sicher? Dann schon lieber das Kriseninterventionsteam anfordern, das bereits vor dem Haus auf seinen Einsatz wartete. Diese speziell geschulten Fachkräfte vom psychologischen Dienst entschärften auch Extremsituationen.
    »Flipper!«
    Mit einem Satz war er auf dem Fensterbrett und im Zimmer, doch nicht bei mir, sondern bei Benny. Der schubste ihn weg. Was Flipper nicht beeindruckte. Er kehrte zurück.
    »Hau ab«, sagte Benny, und seine Stimme klang brüchig.
    Flipper drückte sich eng an ihn.
    »Geh weg! Ich mag keine Hunde!«
    Flipper wedelte freundlich.
    »Wer bist du überhaupt? Ach, ich weiß schon. Der Hund, der doch nicht im Auto gewartet hat.« Sein Gesicht veränderte sich. »Schöner Kerl.«
    Ich traute meinen Augen kaum: Er legte die Waffe auf den Beistelltisch! Und schien das kaum zu

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