Sophia oder Krieg auf See
»Schön kalt«, quietschte sie nach ihrer ohrentötenden Sinfonie und alle Würmer und Mollusken 60 im Umkreis einer Meile waren sicher heilfroh, dass der liebe Gott ihnen ein Gehör bis dato verweigert hatte, dachte sich Sophia.
Catharine hob ihr langes Kleid noch höher und wagte sich weiter ins Meer, das an dieser Stelle so seicht war, dass man noch in großer Entfernung vom Strand stehen konnte. Der Sand unter ihren Füßen war weich und nur selten störte eine Muschel oder ein kleiner Kiesel. Catharine blieb endlich stehen und sah sich um. Es war großartig. Das Wasser reichte ihr nicht einmal bis zu den Kniekehlen, und doch hatte man das Gefühl, von Meer umgeben zu sein. Die Hofdame holte tief Luft und genoss die frische Luft. »Kommt her, es ist ganz flach!«, schrie sie den vier Frauen am Strand zu und lachte.
Sophia war die erste, die ihr Kleid ebenfalls höher zog und sich aufmachte. »Es ist ganz feiner Sand. Und das Wasser ist gar nicht mehr kalt«, versuchte die Herzogin ihre Untergebenen zu ermutigen, die etwas unentschlossen am Strand vor den auslaufenden Wellenfronten standen, und wohl lieber noch ein wenig länger gekreischt hätten.
Der Mond warf eine Schneise aus Licht auf die Wasseroberfläche und Catharine glaubte irrigerweise, sie könne vielleicht bis nach Schweden sehen, so hell war der blau glänzende Keil auf dem Meer.
Da! Da war tatsächlich etwas, weit draußen. Ein Schiff! Ein Segelschiff, das gerade unter dem Mond den Horizont passierte. Dunkel war das Schiff. Unheimlich. Kein Licht flackerte an Bord, nur die finsteren Umrisse waren zu sehen. Catharine schauderte.
»Hey, du alte Krabbe«, grüßte Sophia lachend, als sie auf Catharines Höhe angekommen war. »Da ist ein Schiff«, murmelte Catharine ohne den Blick von dem Schemen zu nehmen. Sophia hielt inne und folgte Catharines Blick. Es war schwer zu erkennen, was da eigentlich genau fuhr und Sophia kniff die Augen zu einem Spalt zusammen.
»Warum hat es kein Licht?«, fragte Catharine, leise, und so ernst, dass ihr selbst ein Frösteln über den Rücken lief. Es gab doch nichts Großartigeres als sich selbst in Schrecken zu versetzen.
Plötzlich war das Wasser wieder eiskalt. »Es ist nah«, analysierte Sophia das auf und ab des Schattens, »sehr nah sogar«. »Wunderbar«, nuschelte Catharine in einer originellen Mischung aus Panik und Ironie. Schnell machte sie einen Schritt zurück. »Es kommt auf uns zu«, machte Sophia das Maß voll und Catharine hatte plötzlich das Gefühl, eisige Krakenarme würden nach ihr greifen. Ohne weiteren Kommentar und glücklicherweise ohne einen Mucks von sich zu geben, trampelte Catharine in Richtung Strand und all die Vorsicht, ihr Kleid nicht nass werden zu lassen, war plötzlich dahin.
Sophia starrte das Schiff weiter an. Dort wo eigentlich ein Segel stehen sollte, ragte nur ein dünnes Etwas hervor. Ein Mast? Ein schiefer Mast. Was für ein Gefährt das auch immer war, es schien eher aus einer Plattform zu bestehen. »Das ist gar kein Schiff«, rief Sophia zurück an den Strand und langsam kam Leben in ihre gelangweilte und geräuschgeplagte Leibgarde.
Nein, das war kein Schiff, eher ein Boot, und es war tatsächlich nah, sehr nah, viel näher, als es den Anschein hatte.
Irgendetwas bewegte sich an Bord des Gefährts, ein wabernder Schatten. Sophia spürte, wie Brust und Schultern kribbelten vor Aufregung. Aber sie war nicht die Art von Mädchen, die vor dem Unbekannten davon lief. Im Gegenteil. Sie machte ein paar Schritte auf das Ding zu.
Da, wieder bewegte sich was an Bord! Sophia hielt inne und verwünschte die Dunkelheit. Sie schätzte, dass der Gegenstand vielleicht noch 50 Schritte von ihr entfernt war, mehr nicht. Es war nicht einmal ein Boot, es war nur ein großes Stück Holz, geformt wie eine Tischplatte, aus der ein Brett fast senkrecht nach oben ragte. Ein Lappen hing auf halber Höhe an dem Brett und flatterte lustlos im lauen Wind.
Das war alles! Sophia lachte und holte tief Luft. Ein großes Stück Holz im Wasser! »Es ist nur Treibgut, ihr Angsthasen«, schrie sie ihren Untergebenen zu und winkte. Verrückt, dachte die Herzogin grinsend, welche Streiche einem die Augen und ein bisschen Angst spielen konnten. Statt eines großen Schiffes war da vor ihr nur ein Konstrukt aus alten Balken und Brettern mit ein paar Lappen und mit - irgendetwas darauf. Sophia hatte sich schon halb gen Strand gedreht und wollte losmarschieren, da bemerkte sie den Haufen auf der
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