Sophia oder Krieg auf See
Philosophie, die Wissenschaften, Theologie«, kamen Broklas uralte Erinnerungen, »und sie hat sie verdammt noch mal alle verloren! Ha!«. Broklas lachte und sein Blick blieb in der Ferne haften.
Das Lachen verstummte und Broklas räusperte sich. Sein Unterkiefer mahlte, als alte Gedanken vorbeizogen, wieder verschwanden und neue ihren Platz einnahmen. »Wir waren auf dem Weg nach England«, fuhr der Wissenschaftler schließlich fort, »ohne Margarete an Bord. Und – pang – haben sie uns erwischt«.
»Wie ist sie denn so?«, wollte Corin wissen. »Margarete?«, fragte Broklas rhetorisch und nickte nachdenklich. »Nun ja. Sie ist schlau. Sie ist fromm, soweit man das als erfolgreicher Herrscher eben sein kann. Liebt ihr Land und ihr Volk. Eine ungeheure und unbändige Kraft steckt in ihr, die sie alle Widrigkeiten überstehen lässt«. Broklas sah Corin an und das Blitzen in Corins Augen verriet ihm, dass er jetzt nicht aufhören durfte zu erzählen.
»Mit zehn hat man sie dem norwegischen König zur Frau gegeben, der ist prompt gestorben und bums – war sie Regentin von Norwegen. Dann starben ihre Eltern und ihr Bruder und bums – machte sie sich zur Königin von Dänemark. Dann starb ihr einziger Sohn, Olaf, und sie adoptierte einen entfernten Verwandten um das Thronerbe zu sichern. Dann starb der schwedische König, ohne Erbe, und Margarete quatschte die schwedischen Adligen rund, besser sie auf den Thron zu setzen, als das Haus Mecklenburg und bums – hatte sie auch noch die schwedische Krone«.
»Da wurde aber viel gestorben«, resümierte Corin leise und senkte seinen Blick auf die mittlerweile fast leere Holzschüssel.
Broklas nickte stumm.
»Das ist unglücklicherweise eines der großen Probleme der Menschheit, Corin«.
55 Aufbau auf dem vorderen Drittel des Schiffes
56 Jede Silbe einzeln betonend
57 Zahnhygiene war nicht sonderlich verbreitet. Marmorpulver war zumindest eine Option.
9 Diese Feier war verdammt langweilig.
Sophia konnte sich nicht über mangelnde Aufmerksamkeit der Gastgeber beschweren, einer Gruppe hoher Adeliger, die hier an der Küste eine wahre Zeltstadt hatten aufbauen lassen, um ein Fest zu Ehren ihrer jungen Herzogin zu geben.
Doch Herzogin Sophia saß am Kopfende des größten Tisches im größten Zelt, umgeben von ihren schnatternden Hofdamen, und langweilte sich nun einmal. Von all den Festen und Feiern, an die sie sich erinnern konnte, war dieses hier das mit Abstand belangloseste, und würde sie alle Dinge aufzählen, die in ihrem Leben bisher wirklich langweilig waren, dann wäre alleine die Beschäftigung mit jener Aufzählung immer noch spannender als dieses Fest.
Sophia seufzte und bemühte sich, dass ihr perfekt aufgesetztes Lächeln in ihrem jugendlichen, schönen Gesicht keinerlei Schaden nahm. Anfang 20 war sie jetzt, aber sie fühlte sich wie eine alte Frau. Sie schaute auf ihre Hofdamen, die allesamt in ihrem Alter und eifrig untereinander ins Gespräch vertieft waren. Es fielen Worte wie Mann und Ritter und starker Arm und so weiter, und natürlich war es klar, dass es nur ein Thema gab, und das hatte direkt oder indirekt mit menschlicher Fortpflanzung zu tun.
Herzogin Sophia seufzte noch einmal. Diese Frauen faszinierten sie irgendwie. Jeder einzelne Satz, den sie aussprachen, handelte von dem Einen, aber natürlich wurde nie direkt darüber gesprochen. Die Hofdamen hatten diese Kommunikation so weit perfektioniert, dass selbst ein Satz wie »Sieh mal da, eine schöne blaue Libelle«, sofort anzügliches Gekicher nach sich zog und unverschlüsselt in etwa der Wertigkeit von öffentlich praktizierter Kopulation auf einem belebten Marktplatz entsprach. Selbstverständlich waren alle Hofdamen noch Jungfrauen.
Ein dritter Seufzer kam von Sophia. Sie musste an ihren Mann denken, den Herzog, der seit Monaten auf Gotland einer zum Scheitern verurteilten Mission nachging. Seine Abwesenheit und seine Fähigkeiten im herzoglichen Bett führten dazu, dass sich Sophia mehr oder weniger so fühlte, wie eine Jungfrau.
Gerade wollte die Herzogin ihre Hofdamen animieren für ein bisschen Unterhaltung zu sorgen, da schwankte ein grölendes Mitglied der gastgebenden Aristokratie in das Zelt.
Von Reddich, der dicke, glatzköpfige Reddich, das hatte Sophia gerade noch gefehlt, und sie bat in einem Stoßgebet ihren Schöpfer um das Zusammenbrechen des Zeltes oder zumindest eine kleine Naturkatastrophe. Für einen kurzen Augenblick gab sie sich der wonnigen Vorstellung
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