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Sophia oder Krieg auf See

Sophia oder Krieg auf See

Titel: Sophia oder Krieg auf See Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Braband
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Bord. Auf Corins ersten flüchtigen Blick hin schienen die Piraten fast ebenso viele Männer verloren zu haben, wie die Kaufmannsgesandtschaft. Die Ligavertreter hatten nur das Pech gehabt, deutlich in der Unterzahl zu sein. Corin entdeckte ein paar bekannte Gesichter unter den Gefallenen, aber glücklicherweise niemanden seiner engsten Freunde.
    Dort wo Corin ihn zurückgelassen hatte, lag schließlich der gedrungene Mann mit dem gelblichen Gesicht und spielte Toter Mann. Der Junge beugte sich vor, griff Zitrone am Kragen und wollte ihn hochziehen, hatte aber erstens die eigene Wunde vergessen und zweitens das Gewicht des Beamten unterschätzt.
    Zitrone heulte in Todesangst, kam ein Stück hoch und zog dann Corin durch sein schieres Gewicht wieder nach unten. Corin plumpste erst auf den Mann, dann auf das Deck und fluchte dieses Mal ganz harmlos der Muttergottes eine saftige Pestbeule an den Hals.
    »Wo sind die Briefe von der Königin«, keuchte Corin und packte den liegenden Beamten nochmals am Kragen.
    Dies hier war das vierte Schiff, das die Piraten innerhalb von drei Tagen gekapert hatten. Das vierte Schiff, welches einerseits keine schwere Ladung an Bord hatte und aus Kalmar heraus Richtung Lubeca segelte. Jetzt mussten sie endlich einen Treffer landen und die Exkursion Kurierquetsche erfolgreich zum Abschluss bringen.
    Claas kam eilig angestampft und beteiligte sich umgehend an dem Verhör, in dem er Zitrone die Klingenspitze seiner Waffe an den Hals drückte. »Ich will nicht sterben«, wimmerte Zitrone völlig überflüssigerweise, denn wer will das schon. »Ich zähle bis drei«, brummte Claas. Corin schob die Klinge des Kapitäns zur Seite und Claas ließ das geschehen. Mehr und mehr Piraten versammelten sich um dem Verhör beizuwohnen.
    »Gib mir die Nachrichten«, befahl Corin dem Beamten, »und ich verspreche dir, dass dir nichts passiert«. Der Mann schluckte und begriff seine Chance. Langsam drehte er den Kopf, sah an Corin vorbei zu Nybur, dessen Leiche immer noch neben der Reling lag, und richtete seinen Zeigefinger auf den toten Ratsherren. Corin lockerte seinen Griff, sah zwar den Gesandten, aber auch noch andere Gefallene. »Hol mir die Briefe«, wies Corin Zitrone an und bemühte sich neben Strenge auch ein bisschen Freundlichkeit in seine Stimme zu legen.
    Zitrone robbte los, wimmernd, erst flach auf dem Boden, dann auf allen vieren. Er passierte einen gefallenen Piraten und erreichte dann den entseelten Körper Nyburs, der flach auf dem Rücken lag und mit starren Augen in den Himmel zu blicken schien. Zitrone konnte seinen eigenen Blick nicht von den bewegungslosen, geweiteten Pupillen seines Vorgesetzten lassen und wünschte sich jetzt nichts sehnlicher, als gemütlich in seiner Schreibstube zu sitzen und bei einer Tasse lauwarmer Eselsmilch den Jahresbericht des heimischen Tierkörperverwerters Korrektur zu lesen.
    Aber nichts da. Die toten Augen seines Ratsherrn glotzen immer noch und Zitrone tastete winselnd unter dem Mantel nach dem Schreiben der Königin. Nybur hatte es bei sich gehabt. Es musste doch irgendwo sein. In dem verdammten Mantel. Die Finger des Beamten spürten ein Pergament und erleichtert zog er das Schriftstück unter dem Mantel hervor. Nun ja, er wollte den Brief hervorziehen, aber es ging nicht, und schnell erkannte Zitrone, warum. Das Geschoss, das tief in Nyburs Brust steckte, hatte auch das Pergament aufgespießt. Zitrone jaulte auf, sprach ein Stoßgebet und tat, was getan werden musste. Mit der Hand packte er den herausstehenden Schaft des Bolzens und zog. Vergeblich. Das Eisen rührte sich praktisch gar nicht. Zitrone keuchte, heulte wieder auf, setzte seine Knie auf Nyburs Brustkorb und packte mit beiden Händen das Ende des Geschosses. Er zog und drehte und rührte, und zu seinem Entsetzen folgte der gesamte Oberkörper des toten Hanseaten jedem seiner Bewegungen.
    Endlich kam der Bolzen schmatzend frei und Zitrone warf das blutige Eisen angewidert fort. Schnell griff er unter den Mantel und zog das Pergament hervor, das am Rand durchlöchert, aber aufgrund moderaten Blutverlustes noch gut zu lesen war.
    Eilig kam Zitrone auf die Beine und hastete zu Corin, der auch aufgestanden war und die Blutung seiner kleinen Brustwunde mit der flachen Hand zu stoppen suchte. Der Beamte gab Corin den Brief mit zitternden Händen und fiel wieder in eine neue Jammerphase, die in einem spitzen Schrei gipfelte.
    In einer Panikattacke lief er davon, hektisch, ziellos und in

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