Sophia oder Krieg auf See
fühlte sich entsetzlich.
Alles, was sie hier tat, war absolut nutzlos.
Es stimmte. Die Piraten waren nicht mehr unter Kontrolle, jedenfalls nicht unter der ihres Hauses. Nicht nur, dass damit das wichtigste Instrument im Kampf gegen Königin Margarete wegfiel, man würde ihre Dynastie auch früher oder später für das Treiben der Seeräuber zur Verantwortung ziehen.
Es musste doch eine Möglichkeit geben, die Piraten wieder auf ihre Seite zu bringen.
Na ja. Sven Sture. Sophia musterte die Planken der Pier, auf der sie stand. Sven Sture war sicherlich ihre letzte Chance. Offensichtlich war er nicht uninteressiert an ihr. Und man konnte sagen, was man wollte, der Mann war gutaussehend, gebildet, hatte Manieren. Manieren! Ha! So ein Quatsch, Sture hatte vielleicht Manieren, aber die lagen gefesselt und geknebelt in irgendeiner Hirnwindung.
Die Herzogin seufzte und schüttelte den Kopf. Wie weit würde sie gehen, im Überlebenskampf ihres Hauses?
Sie würde sehr weit gehen. Sehr weit. Der Kloß, der sich gerade in ihren Hals geschummelt hatte, würde nicht der letzte sein. Eine ganze Armee von Klößen wartete noch auf sie und ihren Hals. Sie würde sie alle schlucken, ohne Ausnahme.
Sophia schloss die Augen und befahl ihrer Erinnerung keinerlei Gedanken an Jonathan zu verschwenden. Aber ihre Erinnerung war wohl etwas überarbeitet oder mit dem falschen Fuß aufgestanden oder eben einfach nur bockig. Sophia kamen Jonathans tiefblaue Augen in den Sinn, diese absolut wahnsinnigen strahlenden Augen, mit denen Sophia am liebsten – ach, sie wusste einfach nicht, was man mit Augen machen konnte, das war ja das Schlimme, am liebsten hätte sie sie gestreichelt oder geküsst oder irgendwas anderes Verrücktes gemacht, was man mit Augen eben nun mal nicht machen konnte. Oder zumindest nicht machen sollte.
Sophia erinnerte sich daran, wie sie Jonathan mal gegenüber saß, wie sie seinen Kopf gehalten hatte, ihre Hände an seinen Ohren, und ihn näher und näher an ihr Gesicht geführt hatte. Wie sie tiefer und tiefer in seinen Augen versank, so als würde sie von einem Baum springen, in Zeitlupe, und in einen klaren Bergsee fallen.
Der Geruch seiner Haare! Der Geruch seiner Haare. Der Geruch seiner Haare!
Sie hätte an Ort und Stelle wahnsinnig werden können, bei diesem köstlichen, süßen, männlichen Geruch - ach, eigentlich hatte sie ja gar keine Ahnung wonach seine Haare genau rochen und es war ihr eigentlich auch komplett egal. Sie wusste nur, dass sie durchdrehen würde, wenn sie noch einen Augenblick weiter an den herrlichen Geruch seiner Haare denken müsste und das würde sich vermutlich auch nicht ändern, wenn sich Jonathan in ihren Gedanken vorher in einer Güllegrube wälzte. Möglicherweise würde sogar genau das Gegenteil passieren und sie würde noch mehr durchdrehen. Übrigens würde sich auch nicht das Geringste ändern, wenn Sophia sich in einer Güllegrube wälzen würde.
Was würde wohl passieren, wenn Sophia schnell abwechselnd an Jonathans Haaren riechen und in seine Augen schauen würde. Konnten Gehirne bersten? Herzen explodieren? Aber natürlich.
Dumme Sophia, dachte die Herzogin, dein Herz ist doch schon lange entzwei.
»Vielleicht mögt Ihr mit uns kommen, Durchlaucht«, riss Broklas die Herzogin aus ihren Gedanken. Ihr trauriger Blick verriet einen Hauch Dankbarkeit für die Störung.
»Wir arbeiten an einem faszinierenden Experiment, draußen, beim Brunnen«. Broklas stupste Corin an, der sich ebenfalls noch auf der Pier aufhielt und dem ebenso wie dem Wissenschaftler nicht verborgen geblieben war, dass es Sophia dreckig ging.
»Du kommst doch auch mit, Corin, oder?«, fragte er seinen Schüler laut flüsternd und mit viel zu aufgesetzter Mimik. »Na klar bin ich dabei, Broklas«, flüsterte Corin ebenso laut zurück, und beide lächelten so herzerwärmend dumm-dämlich, dass Sophia schon von der Pier hätte springen müssen, um sich nicht davon anstecken zu lassen.
Die Herzogin sprang nicht.
36 »Selbstverständlich, hoher Ratsherr Holk«, begann der Hochmeister mit seiner Erklärung und strich sich mit der Hand durch den gewaltigen weißen Bart. Wie immer saß das Oberhaupt des zur Großmacht aufgestiegenen Kreuzritterordens auf seinem steinernen Thron. Den Blick des ebenfalls mächtigen Kaufmanns vor ihm scheute er nicht.
Was Holk geleistet hatte, war schlichtweg beeindruckend. Seine Leistung gipfelte momentan in der unglaublichen Reise, die er in kürzester Zeit und mit
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