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Sophie Scholl

Sophie Scholl

Titel: Sophie Scholl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Beuys
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Versicherung folgte, man sei doch »stets den Verordnungen des Gefängnisses gewissenhaft nachgekommen«. Der Brief tat seine Wirkung. Robert Scholl durfte die »Frankfurter Zeitung« wieder lesen.
    Am 17. Oktober ging von Ulm ein Brief an Lisa Remppis: »War bis gestern in München. Ich habe heute einen Besuch, von dem ich Dir schon erzählte.« Der Besuch war Waldemar Gabriel. Die Korrespondenz war von beiden Seiten über die Monate gepflegt worden. Er hatte im September Heimaturlaub ins saarländische Elversberg bekommen, war Anfang Oktober ins französische Verdun verlegt worden und erhielt nochmals ein paar freie Tage für eine Reise nach Ulm. Ein wenig steht darüber in einem weiteren Brief von Sophie Scholl, den Fritz Hartnagel nicht erhalten hat. Er ist vom 4. November und kündigt ihm ein Adventspäckchen mit Adventskranz an, den sie schon vor Wochen geflochten habe: »Das Tannenreis zu holen hatte mir Waldemar Gabriel geholfen im Klosterwald. Abends haben wir dann in der Diele viele Kränze gemacht und, trotz Oktober, Weihnachtslieder gesungen.« Sophie Scholl zählt einige Pluspunkte zu Gabriels Gunsten auf: An ihm sei alles sehr ernst zu nehmen; er ist klug, so sehr, dass sie bisher in Diskussionen mit ihm keinen Sieg erringen konnte. Dazu sei sie zu dumm und könne zu wenig auf seine spöttische Art eingehen.
    Offensichtlich findet zwischen beiden der geistige Wettkampf statt, den Waldemar Gabriel zum Anfang des Briefwechsels prophezeit hatte. In den Ulmer Diskussionen hat Sophie Scholl zu ihrem eigenen Erstaunen jedoch nicht das »Gefühl einer Niederlage und er nicht das eines Siegers«. Dabei habe sie gar nicht oft mit ihm geredet, sondern »ihn in der Hauptsache Inge überlassen«. Bei der anschließenden Beobachtung klingt Stolz mit: »Trotzdem, habe ich den Eindruck, nicht wirkungslos an ihm vorübergegangen zu sein.« Gleichgültig war ihr der fremde Briefpartner nicht: »In Beziehung zu einem neuen Menschen zu treten ist doch ein großes und wichtiges Ereignis, eine Kriegserklärung und Liebeserklärung zugleich.«
    Am Briefende wendet sie sich Fritz Hartnagel zu. Sie habe in letzter Zeit viel nachgedacht, welchen Beruf er nach dem Krieg ergreifen könne. Seine Idee, eine Hühnerfarm zu gründen, findet sie gut – wenn das Geld dann noch einen Wert hat. Allerdings würde sie eher einem Bauernhof zuneigen. Allzu weit will sich Sophie Scholl aber nicht von der Gegenwart entfernen: »Doch vorerst drücken Dich und mich andere Sorgen. Und froh sind wir beide, was kommen mag, und der gemeinsame Grund, auf dem wir stehen, ist das stärkste Band, das uns zusammenknüpft.« Weit liegt die Zeit zurück, als sie darum gerungen haben, einen gemeinsamen Grund zu finden. Längst sind Schmerz, Enttäuschungen und Missverständnisse einer verlässlichen Innigkeit gewichen.
    Am 21. Oktober schickte der Oberstaatsanwalt beim Landgericht Stuttgart ein Schreiben an das Strafgefängnis Ulm »mit der Bitte um Eröffnung an den Verurteilten«. Er bezieht sich auf die Gnadengesuche von Lina Scholl, Werner und Hans Scholl und Hauptmann Fritz Hartnagel und bewilligt eine »bedingte Strafaussetzung hinsichtlich restlicher 2 Monate ab 23. Oktober mit Bewährungsfrist bis 23. Oktober 1945.« Am 23. Oktober wird Robert Scholl nach zwei Monaten Haft von seiner Frau Lina und den Töchtern Inge und Sophie vor dem Gefängnis abgeholt. Beglückt schildert Sophie Scholl in einem Brief an Waldemar Gabriel, dass mit dem Vater Rituale zurückgekehrt sind, die sie vermisst hatte: Er sitzt wieder oben am Tisch, sie macht ihm morgens das Wasser warm zum Rasieren und hört aus dem Badezimmer seinen Gesang. Er sagt laut vor sich hin »Allen …« – und die Familie ergänzt lautlos den bewährten goetheschen Mutmacher-Code: … Gewalten zum Trotz sich erhalten! Dass er sie mehr als zehnmal täglich »Schlammerle« nennt, nimmt ihm Sophie Scholl nicht übel.
    Am meisten beeindruckt die jüngste Tochter, dass Robert Scholl nach diesen zwei Monaten in Unfreiheit »vollständig unverbittert, ja unbeschwert« sei. »Glaubst Du,« fragt sie Waldemar Gabriel, »Gott muss ihn nicht besonders lieb haben, dass er ihm diese Kraft und Güte verleiht?« Im Grunde habe der Vater noch im Gefängnis versucht, »auch diese Menschen zugänglich zu machen für das Wahre und Gute«. Das vorbildliche Verhalten des Vaters wird von Sophie Scholl übersetzt in eine allgemein gültige Regel: »Wer mehr weiß, als andere, muss demütiger sein – seine

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