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Sophie Scholl

Sophie Scholl

Titel: Sophie Scholl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Beuys
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Verantwortung und Anforderungen sind größer.« Vielleicht wollte sie Waldemar Gabriel ein wenig aufstacheln. Jedoch mindestens so sehr hat Sophie Scholl dies am 25. Oktober 1942 für sich selbst aufgeschrieben.

SICH DEN MUT NICHT NEHMEN LASSEN

November bis Dezember 1942
    Für den Abend des 7. November 1942 war Hans Scholl in Ulm angesagt. Am 24. Juli hatte Sophie Scholl ihn mit den befreundeten Medizinstudenten am Münchner Ostbahnhof zum Einsatz in Russland verabschiedet. Natürlich freute sie sich auf die wohlbehaltene Rückkehr des Bruders, wie sie am Morgen dieses Tages an Fritz Hartnagel schrieb, und malte sich das kommende Semester in der gemeinsamen Münchner Wohnung aus. Doch es war keine ungetrübte Freude: »Die Unsicherheit, in der wir heute dauernd leben, die uns ein fröhliches Planen für den morgigen Tag verbietet und auf alle die nächsten kommenden Tage ihren Schatten wirft, bedrückt mich Tag und Nacht und verlässt mich eigentlich keine Minute.« Am unerträglichsten für Sophie Scholl und am schwersten auszuhalten war, dass die ohnehin kleinen Freiheitsräume immer enger wurden und dass die Zukunft kaum eine Hoffnung zuließ, sich offen und mit ganzem Einsatz für ein selbstgewähltes Ziel zu engagieren. Stattdessen musste sie ihre Kraft und Aufmerksamkeit für Dinge einsetzen, »die es nicht wert waren, dass man den kleinen Finger ihretwegen krümmt«. Und nicht weniger bedrückend: »Jedes Wort wird, bevor es gesprochen wird, von allen Seiten betrachtet, ob kein Schimmer der Zweideutigkeit an ihm haftet. Das Vertrauen zu anderen Menschen muss dem Misstrauen und der Vorsicht weichen.« Fritz Hartnagel konnte sie ihre Gedanken und Gefühle anvertrauen und einem kleinen Kreis von Gleichgesinnten. Aber wie wenige waren das.
    Und für die Wenigen war es lebensgefährlich, sich zu vernetzen oder auch nur sich Mut zuzusprechen. Sophie Scholl konnte deshalb nicht ahnen, wie verbreitet ähnliche Gefühle bei denen waren, die Ähnliches durchlitten. »Wir sind stumme Zeugen böser Taten gewesen, wir sind mit vielen Wassern gewaschen, wir haben die Künste der Verstellung und der mehrdeutigen Rede gelernt, wir sind durch Erfahrung misstrauisch gegen die Menschen geworden und mussten ihnen die Wahrheit und das freie Wort oft schuldig bleiben …« So steht es im »Rechenschaftsbericht«, den der lutherische Pfarrer Dietrich Bonhoeffer am Jahresende 1942 für sich und seine Mitstreiter im aktiven Widerstand gegen die nationalsozialistische Herrschaft niederschreibt.
    Bonhoeffer, der wegen »volkszersetzender Tätigkeit« Redeverbot hatte, entschied sich 1940, »ins Rad der Geschichte einzugreifen«, und wurde Mitarbeiter im zwielichtigen Abwehrdienst des nationalsozialistischen Regimes. Mit dieser Tarnung, gestützt von einer Gruppe Gleichgesinnter im Abwehramt, informierte Bonhoeffer auf seinen »Dienstreisen« protestantische Kirchen im Ausland und in den besetzten Gebieten über den Widerstand gegen Hitler und brachte den Verschwörern wichtige Nachrichten zurück. Im Sommer 1939 hatte er einem Freund geschrieben: »Die Christen in Deutschland stehen vor der fürchterlichen Alternative, entweder in die Niederlage ihrer Nation einzuwilligen, damit die christliche Zivilisation weiterleben kann, oder in den Sieg einzuwilligen und dabei unsere Zivilisation zu zerstören. Ich weiß, welche dieser Alternativen ich zu wählen habe …« Es war der gleiche schmerzliche Schluss, den Sophie Scholl für sich gezogen hatte und der in den »Flugblättern der Weißen Rose« im Sommer 1942 vertreten wurde: keinen Pfennig für das Winterhilfswerk, mit dem der Krieg nur verlängert wurde; auf die Niederlage setzen und sich die Hoffnung auf eine andere Zukunft nicht nehmen lassen. Das verbindet alle, die dem Hitler-Staat widerstehen, in welcher Form auch immer.
    In seinem »Rechenschaftsbericht« nennt Dietrich Bonhoeffer solchen Optimismus »eine Lebenskraft, eine Kraft der Hoffnung, wo andere resignieren, eine Kraft, den Kopf hoch zu halten … eine Kraft, die die Zukunft niemals dem Gegner lässt, sondern sie für sich in Anspruch nimmt«. Auch in Sophie Scholls Brief vom 7. November an Fritz Hartnagel ist die Klage über das bedrückende Misstrauen in die Menschen nur die eine Seite. Sie wird, wie bei Bonhoeffer, abgelöst von einem entschiedenen Optimismus: »Doch nein, ich will mir meinen Mut durch nichts nehmen lassen, diese Nichtigkeiten werden doch nicht Herr über mich werden können, wo ich ganz andere

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