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Sophie Scholl

Sophie Scholl

Titel: Sophie Scholl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Beuys
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einen Klavierabend mit Edwin Fischer und eine »Messias«-Aufführung, die alle tief beeindruckt. Das wichtigste Thema ist dann aber tabu.
    Immer noch schweigt die nationalsozialistische Propaganda-Maschine zum Feldzug in Russland und vor allem zum Stichwort »Stalingrad«, wo die Wehrmacht doch im Oktober schon Siegesmeldungen ankündigte. Tatsächlich war die gesamte 6. Armee mit rund 250 000 Soldaten im Kessel von Stalingrad von der Roten Armee eingeschlossen. In der Bevölkerung wucherten die Gerüchte, die Stimmung sank. Sophie Scholl wird Fritz Hartnagels Briefe aus der Kampfzone sofort den anderen mitgeteilt haben. Nüchtern und ohne jedes Pathos schildert er die schreckliche Realität von Stalingrad: »Wir mussten am 22. 11. fluchtartig unseren Flugplatz vor den Russen räumen … Nun stehen wir den Russen schon 14 Tage gegenüber, es waren oft furchtbare Tage.« Eindrucksvoll, wie Fritz Hartnagel in allem Elend und tödlicher Gefahr auf seinen Glauben baut: »Ich will mich immer bemühen, mich über all das Furchtbare, all den Wahnsinn zu erheben, dorthin, wo ich sicher bin, was auch um mich vorgehen mag.«
    Am gleichen Tag, dem 9. Dezember, bedankt sich Werner Scholl, ebenfalls in Russland eingesetzt, bei seiner Schwester Sophie für Brief und Päckchen. Der »Ekel« vor dem Soldatenleben ist diesmal der Freude über die Weihnachtsbotschaft gewichen: »Nun klingt aus allem die vorweihnachtliche Stimmung, bei dem Flackern des Feuers und beim Gang unter dem kalten Himmel. Das wird hier wie überall dasselbe sein bei Menschen, denen das Fest mehr bedeutet als die Umgebung, in der es gefeiert wird. Singen es nicht die Engel über die ganze Welt, das uralte Lied in den Hüttlein, auf deren Dächern Schnee liegt oder eine Äquatornacht ihre Schwüle strömen lässt. … Wie froh dürfen wir darüber sein, zu der Pilgerschaft der Drei Mohren-Könige zu zählen, die ihren Stern erblickt haben.« Es war tröstlich für die Familie und die Geschwister, dass Werner, wie Fritz Hartnagel, inmitten der Schrecken des Krieges Halt und Zuversicht in der christlichen Botschaft gefunden hatte. Die innere Kraft von Fritz und dem zwanzigjährigen Werner wird für Sophie Scholl ein Ansporn gewesen sein, die Planungen für eine Tat entschlossen weiterzutreiben.
    In der zweiten Dezemberhälfte fuhr Sophie Scholl noch einmal mit Hans nach Stuttgart, um von Eugen Grimminger Geld abzuholen. Sie hatte gehofft, dabei Lisa Remppis zu treffen – »Zu Hause weiß man es nicht!« –, aber es klappte nicht. Die beiden hatten sich monatelang nicht mehr gesehen. Der Brief, mit dem Sophie Scholl ihre Fahrt nach Stuttgart ankündigte, begann mit dem Satz: »Schon lange und vergeblich warte ich auf etwas von Dir.« Eine Begegnung mit der vertrauten Freundin hätte Sophie gut getan. Doch unabhängig von kleinen persönlichen Traurigkeiten lief die große Sache weiter. Die zweite Jahreshälfte 1942 hatte die Entscheidung gebracht. Für Sophie Scholl gab es kein Zurück.
    In den Weihnachtsferien würde Alexander Schmorell nach Ulm kommen, um zusammen mit Hans und Sophie Scholl noch einmal mit Hans Hirzel zu sprechen. Hirzel bekam große Mengen Briefumschläge und wurde informiert, dass Ende Januar eine Aktion starten solle. Ob er mit dem von Sophie Scholls Geld gekauften Vervielfältigungsapparat die Flugblätter drucken könne, wenn man ihm eine Matrize mit Text überbringe? Hans Hirzel brachte Einwände vor, der Apparat funktioniere nicht recht, das sei ein Risiko. Dann werde man ihm die Flugblätter bringen, und er würde für die Verbreitung sorgen. Hans Hirzel stimmte zu. Was er nicht zu sagen wagte: Er hatte den Vervielfältigungsapparat eines Tages, als die Angst, entdeckt zu werden, übermächtig war, von der Donaubrücke in den Fluss geworfen.
    Wahrscheinlich war es in den Weihnachtsferien, als Sophie Scholl mit Hans Hirzel einen Code vereinbarte, falls man dem andern per Brief, Telefon oder mündliche Übermittlung unverfänglich Gefahr signalisieren wollte. Nach der Erinnerung seiner Schwester Susanne hatte Hans Hirzel zuerst Hans Scholl um eine solche Vereinbarung gebeten. Der aber hatte abgewinkt. Sophie Scholl jedoch fand das eine gute Idee. »Hans hat Halsweh« hieß die eine Parole, und als weitere Warnung schlug Sophie Scholl den Code vor, das Buch »Machtstaat und Utopie« sei vergriffen. Die feine List war typisch für Sophie Scholl: jenes Buch des Freiburger Historikers Gerhard Ritter vorzuschlagen, das auf subtile Weise die

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