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Sophie Scholl

Sophie Scholl

Titel: Sophie Scholl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Beuys
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Innersten sich dem Zwang, der Uniformität und den Phrasen nicht beugen. Wer nicht mit ihr die Ulmer Zeit vor 1941 erlebt hatte, sondern nur die ernste Studentin kannte, wie Anneliese Graf, dem blieb Sophie Scholl fremd. Auch Traute Lafrenz, die nach dem Ende ihrer Beziehung zu Hans Scholl Kontakt zur Familie hielt, Sophie Scholl Ostern 1942 in Ulm erlebte und oft mit ihr in München zusammen war, fand keinen Draht zu ihr. Die Welt der Sophie Scholl, sagte sie mit dem Abstand vieler Jahre, würde ihr für immer verborgen bleiben.
    Dass Sophie Scholl sich in München im Hintergrund hielt, hatte auch mit ihrem Bruder Hans zu tun. Seit sie beide im Wintersemester in einer gemeinsamen Wohnung lebten, galt mehr denn je: Wo Hans Scholl sich befand, war der Mittelpunkt. Anneliese Graf und Traute Lafrenz schildern es ähnlich: Hans Scholl war dank seiner Eloquenz und seines Wissens im Zusammensein mit andern der Vorwärtsdrängende und Überzeugende. Er war spontan und witzig. Er brachte Menschen zusammen, und er war einer, der auf Frauen höchst attraktiv wirkte. Was die einen begeisterte, nannten andere – auch Freunde – waghalsig, leichtsinnig, unüberlegt. Manche empfanden Hans Scholl als verbissen, von Unruhe getrieben.
    Sophie hatte schon vor der Münchner Zeit das Schillernde wahrgenommen, das ihren Bruder umgab und das ihr widerstrebte. Doch er war ein Teil der Familie, ihre Solidarität bedingungslos. Wenn sie versuchte, Einfluss zu nehmen und Hans ein wenig zu lenken, dann nur unter vier Augen. Und vergessen wir es nicht: Noch überließen Studentinnen die öffentlichen Diskussionen den Männern. Noch waren Geschlechterklischees Allgemeingut. Im Vergleich dazu war Hans Scholl ein moderner Mann, der für Sophie Scholl kraft seiner Autorität einen Platz in der verschworenen Gruppe der Widerständler durchsetzte.
    Einen Menschen gab es, der im Wintersemester neu zur Gruppe um Hans und Sophie Scholl stieß, aber Sophie sehr vertraut war: Gisela Schertling, Studentin der Kunstgeschichte und Germanistik. Die beiden hatten sich im Lager Krauchenwies kennen und schätzen gelernt. Mit Gisela Schertling entdeckte Sophie Scholl die Kapelle in Krauchenwies zum Orgelspielen. Damals, im August 1941, hatte Sophie ihrem Bruder Werner geschrieben, es werde mehr als eine Arbeitsdienst-Bekanntschaft bleiben, gerade weil ihr Verhältnis »sehr sachlich und von Gefühlen frei« sei. Nach dem Lageraufenthalt hatten beide die Entfernungen mit Briefen überbrückt. In München sahen sich Sophie Scholl und Gisela Schertling fast täglich. Im Dezember nahm Sophie die Freundin einmal mit hinaus nach Solln zu Professor Muth, wo sie Grammophonplatten abholte. Das war eine Auszeichnung.
    Sophie Scholl hat für das Wintersemester Vorlesungen bei dem Biologen Karl von Frisch, dem Physiker Walther Gerlach, dem Mathematiker Georg Faber, dem Philosophen Kurt Huber und dem Archäologen Ernst Buschor belegt. Mit Gisela Schertling, Traute Lafrenz, Willi Graf, gelegentlich auch Hans Scholl, ging sie in Professor Hubers Leibniz-Vorlesung. Ob sie auch Vorlesungen anderer Professoren besuchte, darüber gibt es keine Hinweise. Von zu Hause bekam sie pro Monat 150 Reichsmark, indirekt von Fritz Hartnagel mitfinanziert. Das war für damalige Verhältnisse keine kleine Summe.
    Im November, Dezember, als die Planungen für Flugblätter mit großer Auflage begannen, erhielt Sophie Scholl innerhalb der kleinen verschworenen Gruppe zwei Aufträge. Sie führte die Kasse und das Kassenbuch. In ihrem Notizbuch trennte sie säuberlich zwischen Ausgaben – »A«, rechte Seite – und Einnahmen – »E«, linke Seite. Zum andern war vor allem sie zuständig für die Beschaffung von Briefumschlägen und Briefmarken. Beides stand in Kriegszeiten nicht in beliebigen Mengen zur Verfügung. Sophie Scholl durfte nicht auffallen und musste gute Gründe haben, sollte sie wegen ihrer Käufe in Verdacht geraten und befragt werden.
    Nur die kurzen Tagebuch-Eintragungen von Willi Graf lassen ahnen, dass den Dezember über die Gespräche zwischen den Eingeweihten vor allem um eines geht. Und Sophie Scholl war dabei, auch wenn Graf ihren Namen nicht zu Papier bringt. Am 10. Dezember schreibt er: »Am Abend bin ich bei Hans. Wir reden und planen, was zu tun sei. Balalaika- und Klampfenspiel.« Auch ins Konzert gehen Sophie und Hans Scholl, Alexander Schmorell, Willi Graf mit seiner Schwester Anneliese und Christoph Probst, wenn er in München ist, meist gemeinsam. Graf notiert

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