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Sophie Scholl

Sophie Scholl

Titel: Sophie Scholl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Beuys
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in Richtung des Richtertisches. Leo Samberger: »Er machte einige weitere verzweifelte Ansätze, sich Gehör zu verschaffen. Als Freisler die für ihn störende Situation erkannte, verbot er den anwesenden Eltern – es zeigte sich, dass auch die Mutter dabei war – die weitere Anwesenheit und ließ sie hinausführen.« Werner Scholl ist wahrscheinlich im Saal geblieben.
    Es ist gegen 13 Uhr 30; das Gericht zieht sich zur Beratung zurück. Die Pause ist auffallend kurz, die Zuschauer drängen wieder in den Saal. Als sich die Türen des Gerichtssaals schließen, bleiben draußen auf dem weiten Flur drei Menschen zurück, Robert und Lina Scholl und Leo Samberger. Empört über den Prozess, stellt er sich den Eltern vor und bietet ihnen seine juristische Mithilfe an. In diesen Zeiten gehört Zivilcourage dazu. Drinnen wird das Urteil gesprochen – Tod für Hans und Sophie Scholl und Christoph Probst. Es gibt keinen Zeugen, wie sie es aufgenommen haben. Alles jedoch spricht dafür, dass Sophie und Hans Scholl und Christoph Probst so reagierten wie zuvor in der Konfrontation mit dem brüllenden Roland Freisler – ruhig und gefasst. Überzeugend ist auch die Überlieferung, dass Sophie Scholl, aufgerufen, noch ein Schlusswort zu sagen, geschwiegen hat. Es ist ein beredtes Schweigen, voller Verachtung, selbstgewiss. Es entspricht der Persönlichkeit Sophie Scholls, wie sie sich in direkten Zeugnissen ihres Lebens, Briefen und Tagebucheintragungen, manifestiert. Laute Parolen im Angesicht ihrer pöbelnden Feinde – nur vom Hörensagen, ohne Beweise überliefert – sind ihre Sache nicht.
    Die Verurteilten werden umgehend in das Gefängnis München-Stadelheim gebracht, wo Todesurteile mit der »Fallschwertmaschine« – die deutsche Umschreibung von »Guillotine« – vollstreckt werden. Es liegt jenseits der Isar am Perlacher Forst, grenzt an einen großen Friedhof. Im Justizgebäude führt Leo Samberger die Eltern in das Vorzimmer des Generalstaatsanwalts. Sie geben ihr Gnadengesuch zu Protokoll. Samberger verabschiedet sich, hinterlässt seine Telefonnummer, falls er noch irgendetwas tun kann. Kurz darauf sind Lina, Robert und Werner Scholl auf dem Weg nach Stadelheim. Wie es möglich wurde, liegt im Dunkeln: Sie dürfen Sophie und Hans im Gefängnis sprechen.
    Werner Scholl hat Otl Aicher am 13. April 1943 über seine und die letzte Begegnung der Eltern mit Sophie und Hans berichtet. Sein Brief, der bisher nicht publiziert wurde, ist eine Antwort auf eine Anfrage Otl Aichers zu Gerüchten über eine Konversion der Verurteilten zum Katholizismus. Er ist eine nüchterne Korrektur falscher Bilder, die von diesen bewegenden Minuten überliefert worden sind und schon damals auftauchten. Werner Scholl schreibt vorweg, er sei in den Tagen »vielen Gerüchten begegnet, die einen Glorienschein um sich trugen oder von gemeinen Gehirnen ersonnen waren«. Dann fährt er fort:
    »Als wir von Sophie Abschied nahmen, kam der katholische Vikar und sagte Sophie, Hans habe den Wunsch geäußert, das Heilige Abendmahl von ihm zu empfangen und Sophie schloss sich diesem Wunsch an. Unsere Mutter hat das etwas seltsam berührt, als ich ihr aber sagte, sie solle Sophie in ihrer letzten Stunde ganz frei handeln lassen, war sie beruhigt. Und Sophie sagte: Siehst Du, Mutter, das ist für mich jetzt alles gleich. Dann gab sie zu verstehen, dass sie in diesem letzten Abschnitt ganz dasselbe tun wolle wie ihr Bruder. Wie wir dann bei Hans waren, kam zu ihm der protestantische Geistliche und wollte sich von der Richtigkeit von Hans’ Schritt überzeugen, der ihm mitgeteilt worden war. Nun muss ich etwas vorausschicken. Christoph Probst war noch nicht auf den christlichen Glauben getauft und wollte das Bekenntnis der katholischen Kirche annehmen. Aus diesem Grund wollte das auch Hans, weil er gehofft hatte, sie könnten alle drei miteinander das Abendmahl empfangen. Wie er dann erfahren hat, dass dies nach der Gefängnisordnung verboten ist, sagte er zu dem Geistlichen: Geben Sie mir das Abendmahl. Das ist alles.« Hans Scholl, und damit auch Sophie, hat sich für die protestantische Konfession entschieden.
    Als persönliche Erinnerung erwähnt Werner Scholl in seinem Brief »die Worte von Hans: Ich bin jetzt ganz fertig mit dem Leben; und das selige Lächeln Sophies«. Lina Scholl bietet ihren Kindern die selbstgemachten Brödle an. Hans Scholl lehnt ab, Sophie Scholl sagt, sie habe heute noch nichts gegessen, und steckt sie in die Manteltasche.

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