Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sophie Scholl

Sophie Scholl

Titel: Sophie Scholl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Beuys
Vom Netzwerk:
Außerdem haben die Eltern ihr Fotos von der Familie und einen Brief von Fritz Hartnagel mitgebracht. Am Ostersonntag 1943, Werner Scholl ist wieder an der Front in Russland, wird ihn Lina Scholl in einem Brief an das letzte Zusammensein mit Sophie erinnern: »Vielleicht hörtest Du, wie ich zu Sofie sagte, aber gelt, Jesus, und wie sie zu mir fast befehlend sagte: ja – aber Du auch.« Die Sprechzeit ist zu Ende; ein Händedruck, eine Umarmung, ein letzter Blick. Auf ihre Frage, ob die Urteile bald vollstreckt werden, erhalten Robert und Lina Scholl im Gefängnis keine Antwort. Die Eltern sind kaum gegangen, da erscheint Robert Mohr gegen 15 Uhr. Er trifft Sophie Scholl in der Wärterinnen-Zelle. Sie weint. »Sie entschuldigte sich ihrer Tränen«, schreibt er in seinem Rückblick, »indem sie mir mitteilte: ›Ich habe mich gerade von meinen Eltern verabschiedet und Sie werden begreifen.‹«
    Sophie Scholl wird zurück in eine Zelle geführt. Es ist Zeit für das Abendmahl, das nach der Gefängnisordnung nur getrennt empfangen werden darf. Der protestantische Pfarrer Karl Alt, zuständig für das Vollstreckungsgefängnis München-Stadelheim, geht zuerst zu Hans Scholl. Scholl hat zwei Bibelstellen ausgewählt. Zuerst beten sie den 90. Psalm gemeinsam – »Herr, Gott, du bist unsre Zuflucht für und für. Ehe denn die Berge wurden und die Erde und die Welt geschaffen wurden, bist du, Gott, von Ewigkeit zu Ewigkeit«. Dann sprechen der Pfarrer und der Verurteilte laut den Hymnus des Apostels Paulus auf die Liebe, geschrieben im ersten Brief an die Gemeinde in Korinth – »Nun aber bleibt Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei; aber die Liebe ist die größte unter ihnen«. Es ist die Vorbereitung für die lutherische Beichte und das Abendmahl, die folgen.
    Anschließend geht Pfarrer Alt zu Sophie Scholl. In seinem später geschriebenen Rückblick gilt der überwiegende Teil der Erinnerung Hans Scholl. Kein Wort über die Bibelstellen und Gebete, die Sophie Scholl sich wählte; nur der Vollzug des Abendmahls wird berichtet: »Ohne eine Träne zu vergießen, feierte auch sie das heilige Mahl, bis der Wächter an die Zellentür pochte und sie hinausgeführt wurde.« Sie bittet den Pfarrer, letzte Grüße an ihren Bruder auszurichten.
    Wahrscheinlich ist es inzwischen 16 Uhr; der Wärter führt Sophie Scholl ins »Rapportzimmer«. So steht es in der Akte über die Vollstreckung des Todesurteils. Anwesend sind der Gefängnisvorstand, der Gefängnisarzt und der Gefängnisgeistliche. Der Oberreichsanwalt Albert Weyersberg vom Volksgerichtshof, der am Morgen beim Prozess die Todesstrafe beantragt hatte, eröffnet Sophie Scholl, »dass der Herr Reichsminister der Justiz beschlossen habe, von seinem Begnadigungsrecht keinen Gebrauch zu machen, sondern der Gerechtigkeit freien Lauf zu lassen«. Das Todesurteil werde heute um 17 Uhr im Gefängnis München-Stadelheim vollstreckt. »Der Verurteilte gab keine Erklärung ab«, steht in der Akte. Hans Scholl und Christoph Probst durchlaufen die gleiche Prozedur.
    Die Gefängniswärter werden Jahre später angeben, sie hätten die drei Verurteilten – entgegen der Gefängnisordnung – noch einmal für wenige Minuten zusammengeführt, so dass sie noch eine Zigarette miteinander rauchen konnten. Dann wird Sophie Scholl abgeführt, in das abgetrennte Gebäude im Hof, wo die Todesurteile vollstreckt werden. Es ist, so steht es in der Akte, »überdacht und ummauert, gegen den Einblick und Zutritt Unbeteiligter vollständig gesichert«. Dort machen sich der »Scharfrichter« Reichhart und seine Gehilfen bereit. Johann Reichhart war im Februar 1943 der oberste von vier Scharfrichtern im Deutschen Reich, zuständig für die Vollzugsanstalten Dresden, Frankfurt-Preungesheim, München-Stadelheim, Stuttgart und Wien. Im Jahre zuvor hatte er für 764 Enthauptungen 3000 Reichsmark Grundeinkommen plus 35 790 RM Sondervergütungen und knapp 6000 RM Spesen erhalten.
    Es ist 17 Uhr. Anwesend sind wiederum Oberreichsanwalt Weyersberg, Gefängnisvorstand und Gefängnisarzt, dazu der Justizbeamte Max Huber als Urkundsbeamter und Scharfrichter Reichhart mit Gehilfen. Laut Akte war die »Fallschwertmaschine, durch einen schwarzen Vorhang verdeckt, verwendungsfähig aufgestellt.« Im Protokoll ist festgehalten: »Die Verurteilte war ruhig und gefasst.« Die Gehilfen führen Sophie Scholl zur Guillotine. Und weil alles penibel notiert wurde, wissen wir: Nach 6 Sekunden hatte Sophie Scholl es hinter

Weitere Kostenlose Bücher