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Sophie Scholl

Sophie Scholl

Titel: Sophie Scholl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Beuys
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gehören.« Dazu müsse man »praktisch helfend eingreifen … und Opfer bringen, an Zeit, Geld, Arbeit. Sozialismus im BDM«. Über die ideale »Jungmädelführerin« schrieb der Reichs-Jugend-Pressedienst im März 1934, sie müsse »revolutionär« und »kampflustig« sein und fasste das Erziehungsziel für die »deutschen Mädel« in einem Reim zusammen: »Schwarz oder weiss, nur nicht grau, / Kalt oder heiss, nur nicht lau!« Und eine Reichsreferentin beschwor im Pressedienst über Nationalsozialistische Mädelerziehung die »Gleichwertigkeit von Jungen und Mädel in allen Fragen der Erziehung«. Es müsse »immer wieder festgestellt werden, dass heute die jungen Mädels in Deutschland sich keineswegs zufriedengeben mit jenen berühmten K’s – Kinder, Küche, Keller, Kleider …«.
    Sophie Scholl zeigte demonstrativ: Sie war weder grau noch lau, und sie war von ihrer Gleichwertigkeit überzeugt. Bei den Jungmädeln marschierte sie mit radikal kurzem Haar und langer Stirntolle durch Ulms Straßen, ein Hitler-Lied auf den Lippen, die Hakenkreuzfahne voran. Sie schepperte bei Regen und Schnee – in kurzen Söckchen, auch wenn das gegen die Vorschrift war – mit der Sammelbüchse für das Winterhilfswerk, verbrachte viele Stunden bei ihrer JM-Gruppe in Wiblingen. Die Schule lief nebenher. Sophie Scholl war intelligent, das Lernen fiel ihr leicht. Aber im Herbst 1935 stand viermal »genügend« auf dem Zeugnis, in Geschichte, Englisch, Französisch, Heimat und Erdkunde, alles Fächer, in die man Zeit investieren muss. »Sehr gut« gab es in Religion und Physik und »gut« in allen übrigen Fächern. Das »Gesamturteil« sieht es richtig: »In ihren Arbeiten ist sie ungleichmäßig und sollte im ganzen fleißiger und gewissenhafter sein. Sie hat etwas nachgelassen, wohl infolge Überlastung.«
    Die Stunden, die die Scholl-Kinder zu Hause verbrachten, wurden immer weniger. Überhörten, übersahen sie vor lauter Engagement in HJ und BDM, bei all den Aufmärschen und nationalen Veranstaltungen, dass im Staat Adolf Hitlers die Freiheit, von der so viel geredet und gesungen wurde, nicht allen galt? Dass die jüdische Minderheit immer rigoroser und brutaler von der hochgelobten Volksgemeinschaft ausgeschlossen wurde? Nach der ersten reichsweiten antisemitischen Kampagne im Frühjahr/Sommer 1933 organisierte die NSDAP für 1935 die zweite Propaganda- und Aktionswelle, um die Bevölkerung zum Hass und zu aggressiven Taten gegen die jüdischen Bürger aufzustacheln. Sie spiegelt sich in den Artikeln des »Ulmer Tagblatts«, das 1934 mit dem NSDAP-Organ »Ulmer Sturm« zwangsvereinigt worden war.
    Im Februar und März 1935 werden überall im Reich von Parteigenossen jüdische Geschäfte blockiert, Fensterscheiben eingeschlagen. Aber die Bevölkerung macht nicht mit. Die Hetze jedoch geht weiter und die Drohung an die eigene Bevölkerung. 12. März 1935: Der Ulmer NSDAP-Kreisleiter persönlich schreibt einen Artikel: »Wer einmal die Judenfrage erkannt hat, wäre ein Schuft gegenüber seinem Volke, wenn er von der Bahn des Nationalsozialismus auch nur einen Schritt abweichen würde.« 15. April: »Schmutzig ist und bleibt der Jude, wo man ihn anfasst, und es ist kein Wunder, wenn man in den Straßen lesen kann: Wer beim Juden kauft, ist ein Volksverräter.« Am 11. Mai 1935 erlässt die Ulmer Verwaltung ein »Judenverbot für öffentliche Badeanstalten«. 1. Juli 1935: Das Mitteilungsblatt des Kreises Ulm der NSDAP erscheint mit einer Sonderausgabe »Die Juden in Ulm im Jahre 1828«, ein historisch verbrämtes antisemitisches Pamphlet: »Wir bekämpfen den Juden deshalb, weil er Jude ist. Weil er als Angehöriger der jüdischen Rassengemeinschaft den Gesetzen dieser Rasse unterworfen ist und darnach handelt.«
    Während im August weitere jüdische Geschäfte verwüstet werden, versucht die Regierung in Berlin die Radikalen in der NSDAP zu bremsen und deren gewalttätigen Antisemitismus in legale Kanäle zu leiten. Die Mehrheit der Bevölkerung unterstützt die brutalen Aktionen nicht, reagiert mit Empörung und kauft weiter in jüdischen Geschäften. Zwar ist der Antisemitismus in der Bevölkerung verbreitet, aber nicht tief verwurzelt.
    Am 10. September beginnt in Nürnberg der »Reichsparteitag der Freiheit«, die jährliche spektakuläre Heerschau sämtlicher nationalsozialistischer Organisationen vor ihrem Führer, eine Massenveranstaltung ohne Beispiel. Hunderttausende kommen nach Nürnberg, um vor Adolf Hitler zu

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